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"Intelligentsia hat sich abgemeldet": Basler Denker-Skulptur


Weniger Grenzen, mehr und bessere Debatten

Peripherie als Chance: Wie sich die Region Basel bis ins Jahr 2010 zum Guten verändern könnte

VON PETER KNECHTLI

Gern zelebrieren die Basler im Alltag den Weltschmerz. Lassen sie ihren Visionen aber freien Lauf, so hat die Region im Schatten Zürichs fantastische Perspektiven. Die grossen Themen: Fallende Grenzen im Dreiländereck und mehr Debatten. Der öffentliche Disput ist so gut wie inexistent.

Das erste Jahrzehnt im neuen Jahrtausend verspricht der Region Basel einen Quantensprung. Dies zumindest ist das Fazit einer REPORTS-Erhebung unter verschiedenen Exponenten der beiden Basler Halbkantone.

Erstaunlich eigentlich. Denn wer hier lebt, spürt täglich den Enge der Randregion. Manchmal wird so etwas wie eine Angst manifest, von der Rest-Schweiz über die Landesgrenzen hinaus in Oberrhein-Graben gekippt zu werden. Anzeichen von Panik kamen auf, als Basel durch Genf von der zweit- zur drittgrössten Schweizer Stadt deklassiert wurde. "Die Guten gehen weg von Basel, die Pumpen bleiben", meinte einst flapsig ein Kommunikationsberater, der in Basel blieb.

Renitenz der Peripherie gegen das Zentrum

Dabei hat die wohlhabende "Weltstadt im Taschenformat" (so eine Untersuchung der Universität Basel) Vorzüge, die sie mit Zuversicht ins nächste Jahrtausend blicken lassen dürften - so ihr häufig nachgesagter Nachteil: Die Lage ist zwar peripher, aber gleichzeitig auch geeignet für Aufbrüche, wie ihn beispielsweise die Volksaufstand gegen das geplante Atomkraftwerk in Kaiseraugst in der eidgenössischen Energiepolitik auslöste. Die Massenbewegung an der Peripherie war ein Widerstand gegen einen demokratisch fragwürdig legitimierten zentralistischen Durchsetzungs-Versuch.

Was Aufbrechen im wirtschaftlichen Sinn heissen kann, haben jüngst die Kantonalbanken in Basel und Liestal mit der Uebernahme von Coop-Bank und Atag Asset Management demonstriert: Grenzen zu sprengen - nicht nur hoheitliche - könnte zum Markenzeichen der beiden Basel werden.

Direkt nach Grenzach oder St. Louis

Im Jahr 2010, so glaubt der Basler Wirtschaftsminister Ralph Lewin, werden auch die politischen Grenzen "keine Rolle mehr" spielen, vielmehr wird Basel "auch im Alltag eine Stadt in drei Ländern" sein. Vorort-Präsident Andres Leuenberger, Vizepräsident von Hoffmann-La Roche, hofft sogar, wie vor dem Ersten Weltkrieg ohne Vorzeigen des Passes durch die Dreiländer-Region zwischen Jura, Schwarzwald und Vogesen schreiten zu können. "Mit dem 'Drämli' fährt man ohne Halt nach Grenzach in Deutschland oder nach St. Louis im Elsass; und wer es besonders eilig hat, nimmt die regionale S-Bahn."

Für den Basler SP-Ständerat Gian-Reto Plattner sind die Grenzen "dank des EU-Beitritts der Schweiz" gar gänzlich überwunden. Auch der frühere Baselbieter FDP-Standesherr René Rhinow hat eine "Region des Aufbruchs und der Innovation" vor Augen, die es versteht, "politische Zusammenarbeit über alle Grenzen hinweg und in partnerschaftlichem Geist auszubauen" und ihr Gewicht auf Bundesebene durch die Aufwertung der beiden Basel zu Vollkantonen aufzuwerten.

"Wertschätzung gegenüber Andersdenkenden"

Auffällig: Politiker und Wirtschaftführer zeigen offen wie selten zuvor Bereitschaft, unabhängig von weltanschaulichen Standorten gemeinsame Lösungen zu suchen. Rechtsprofessor Rhinow spricht von einer "Standort-Attraktivität" als "ökonomische Basis für eine solidarische Gesellschaft". Der Basler Polizeidirektor Jörg Schild fordert eine "Wertschätzung gegenüber Andersdenkenden" ein, ohne die keine Probleme erfolgreich gelöst werden könnten.

Auch Schild möchte einen "kontinuierlichen Abbau der Grenzen nördlich der Juraketten bis hin nach Freiburg und Mulhouse". Denn die Einsicht werde sich durchsetzen, "dass Probleme in einem natürlichen Lebensraum nur gemeinsam gelöst werden können".

Leichtigkeit durch Stadtpräsidium

Die bekannte Bildhauerin Bettina Eichin ("Helvetia auf der Reise"), die als Grenzgängerin im Basler Atelier arbeitet und in Südbaden wohnt, ist da skeptischer. Wirtschaftlich könnten Grenzen fallen, kulturell aber blieben sie wohl noch auf längere Zeit bestehen: "Kultur funktioniert anders als Wirtschaft."

Zudem spürt die Kulturschaffende immer noch Spätfolgen aus Basels Selbstverständnis als Freie Reichsstadt: "Die schwerfällige Bürokratie macht jedes Thema gleich so bedeutungsträchtig." Bettina Eichin könnte sich vorstellen, dass die Rhein-Metropole, die einzig durch die Kantonsregierung verwaltet wird, mit der Einfühung eines agilen Stadtpräsidiums Flexibilität und urbane Qualität gewinnen könnte.

Philosophie und Ethik, Werte- und Pharmaforschung, Gentechnologie und Diagnostik sind die "Grundpfeiler", auf die sich das humanistische Basel nach Meinung des Beraters Hans-Rudolf Fischer besinnen muss. Statt Leer-Formeln zu dreschen, müsse Basel offensiv die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien zur "Vermittlung und Verbreitung wissenschaftlicher Kompetenz und Dienstleistungen" einsetzen.

Basel bräuchte wieder einen Düggelin

Derweil fordert der in Zürich lehrende Architektur-Professor Wolfgang Schett, dass sich "die, die es besser wissen und können, wieder zu Wort melden und einmischen". Heute habe sich die Basler Intelligantsia "ins Privatleben abgemeldet" und der gesellschaftliche Diskurs werde "von den Klatschtanten des Monopolblatts geführt".

Dreissig Jahre muss Wolfgang Schett zurück denken, bis ihm ein Name einfällt, den er mit lustvollem Streit und Spektakel, Diskussionen und Debatten verbindet: Der unvergessliche Theater-Direktor Werner Düggelin. "Gäbe es nur ein paar Leute dieser Art - das halbe Format würde längstens genügen - und Basel wäre bis mindestens 2010 saniert." Polizeidirektor Jürg Schild erwartet aber auch von der Politik ein höheres Niveau: "Politiker ohne Visionen sollten ihren Job so schnell wie möglich an den Nagel hängen."

Basel als Siena des Nordens

Ganz oben in der Prioritätenliste des ehemaligen CVP-Kantonalpräsidenten und bürgerlichen Regierungsratskandidaten Carlo Conti stehen sportliche Ambitionen: "Ich freue mich darauf, nicht mehr nach Barcelona reisen zu müssen, um ein Spiel des FC Barça zu erleben. Im Jahr 2010 kann ich im neuen Basler St. Jakobs Park feine Fussballkost geniessen. Und in Abwechslung dazu bieten die Dragons von EHC in der neuen Eissporthalle Eishockey auf höchstem nationalem Niveau."

Darüber hinaus wünscht sich Conti den Zuzug vieler junger Familien "in mittleren bis oberen Einkommensverhältnissen", nachdem für diesen Zweck 5000 neue Wohnungen erstellt wurden. "Auf dem Münsterplatz", so Contis lateinische Affinität, "ist ein städtisches Zentrum entstanden, auf dem eine Atmosphäre herrscht wie in Siena oder in anderen italienischen Städten".

Befruchtendes kultikulturelles Klima

Contis Konkurrenz-Kandidatin in der bevorstehenden Regierungsratswahl, die "Basta"-Grossrätin und Erwachsenenbildnerin Rita Schiavi, wünscht sich, dass sich die "Siena-Atmosphäre" nicht nur auf den Münsterplatz beschränkt, sondern auch im unteren Kleinbasel breit macht. In den kommenden Jahren soll überdies ein "vorbildliches Integrations-Leitbild" umgesetzt werden, das Basel als befruchtende Multikulti-Stadt erlebbar macht, aber auch als "Industrie-Stadt", in der "Fabrikkamine ebenso zur Skyline gehören wie das Münster."

Im kommenden Jahrzehnt, so der Wunsch der Soziologin, soll Basel "endlich erkannt haben", wo seine Stärken liegen: "In einem hochwertigen und vielfältigen kulturellen Angebot, in einer guten Mischung von lebendigen, städtischen und eher ruhigeren Quartieren, in seiner Weltoffenheit, die sich auch darin zeigt, dass die Grenzen keine Bedeutung mehr haben, dass das öffentliche Verkehrsnetz nach Lörrach und St. Louis reicht und dass eine tolerante Atmosphäre herrscht."

Wohnqualität durch Stadt-Erneuerung

Einer, der in den letzten Jahren zahlreiche Debatten angeregt hat, ist der frühere Journalist und heutige professionelle Initiator Daniel Wiener. Er ist führender Exponent des staatlich beauftragten, basisdemokratischen Stadt-Erneuerungs-Projekts "Werkstadt Basel", mit dem gute Steuerzahler in den schrumpfenden 190'000-Einwohner-Halbkanton gelockt werden sollen.

Auch Wieners Hauptforderung ist zwar die Oeffnung der Grenzen: "Seit dem Fall der Berliner Mauer ist Basel die einzige grosse Sektorenstadt Europas. Für die Passage von einem Sektor in den anderen braucht es einen Personalausweis. Warentransporte sind durch Zölle und Vorschriften stark eingeschränkt."

Zu seinen Zehn-Jahres-Perspektiven der Dreiländerstadt gehören aber auch ganz konkrete Ansätze: Er möchte aus den Basler Rheinhäfen eine "innovativ vermarktete Drehscheibe ökologischer Transportsysteme" mit Schiff und Bahn machen und dieses Gebiet am Rhein-Ufer gleichzeitig als attraktives Wohnviertel für mehr als 2'000 Menschen erschliessen. Obschon renommierte Architekten eine Bebauungs-Idee formuliert hätten, stosse sie bisher auf "diffuse Aengste der Hafenverwaltung".

Basel wieder im Bundesrat

Wie Wiener zählen viele der Befragten auch auf eine "blühende Universität", die mehr ist als "willfähriger Dienstleistungsbetrieb" (Schett). Die Baselbieter FDP-Landrätin und mögliche Regierungsratskandidatin Sabine Pegoraro hofft zudem, dass die Region Basel im Jahr 2010 ein Mitglied des Bundesrates stellt und in den Regierungen von Basel-Stadt und Baselland "je zwei bürgerliche Frauen sitzen" - wohl auch sie selbst. Dem Basler Ständerat Plattner reicht es schon, wenn der "Münsterplatz autofrei" und "die SVP wieder verschwunden" sein wird. Der FC Basel jedoch - Barometer des lokalen Gemütszustands - soll im kommenden Jahrzehnt "die Meisterschaft, den Cup und gleich auch die Champions League gewinnen".



Vision Basel 2010: Was sie fühlen, was sie möchten


Rita Schiavi
"Basta"-Grossrätin und
Regierungsratskandidatin
Basel multikulturell: Kulturen werden sich befruchten

Im Jahr 2010 hat Basel endlich erkannt, wo seine Stärken liegen: in einem hochwertigen und vielfältigen kulturellen Angebot, in einer guten Mischung von lebendigen, städtischen und eher ruhigeren Quartieren, in seiner Weltoffenheit, die sich auch darin zeigt, dass die Grenzen keine Bedeutung mehr haben, dass das öffentliche Verkehrsnetz nach Lörrach und St. Louis reicht und dass eine tolerante Atmosphäre herrscht.

Basel wird sein vorbildliches Integrationsleitbild umgesetzt haben. Dank Förderung der Muttersprache und Förderkursen in Deutsch für Fremdsprachige, werden die fremdsprachigen Kinder genau die gleichen Chancen haben wie die deutschsprachigen, eine gute Berufsausbildung zu bekommen und höhere Schulen zu besuchen. Basel wird eine multikulturelle Stadt sein im wahrsten Sinne des Wortes: die verschiedenen Kulturen werden sich gegenseitig befruchten, gerade auch im künstlerischen Bereich, wo ein anregendes und kreatives Klima herrschen wird.

Nicht nur auf dem autofreien Münsterplatz wird eine Atmosphäre wie in Siena herrschen, sondern auch im unteren Kleinbasel, am Rheinufer, am Hafen, wird die Stadt lebendig sein, attraktiv zum Wohnen und zum Arbeiten. Da wir viele grosse Familienwohnungen gebaut haben werden, und den Verkehr von den Quartieren fern halten, werden wieder mehr Familien in Basel Wohnen.

Basel wird hoffentlich nicht nur eine Dienstleistungsstadt sein, sondern auch eine Industriestadt bleiben. Die Fabrikkamine gehören ebenso zur Skyline von Basel, wie das Münster.

Carlo Conti
ex CVP-Kantonalpräsident
und
Regierungsratskandidat
Siena-Atmosphäre auf dem Münsterplatz

Ich freue mich darauf, nicht mehr nach Barcelona reisen zu müssen, um ein Spiel des FC Barça zu erleben. Im Jahr 2010 kann ich im neuen Basler St. Jakobs Park feine Fussballkost geniessen. Und in Abwechslung dazu bieten die Dragons von EHC in der neuen Eissporthalle Eishockey auf höchstem nationalem Niveau. Eine lebendige und vielfältige Kultur- und Sportstadt sowie ein Geist der Offenheit und der Toleranz bewirken, dass viele junge Familien in mittleren bis oberen Einkommensverhältnissen neu in die Stadt zugezogen sind, nachdem für diesen Zweck 5000 neue Wohnungen erstellt wurden. Auf dem Münsterplatz ist ein städtisches Zentrum entstanden, auf dem eine Atmosphäre herrscht wie in Siena oder in anderen italienischen Städten. Basler KMUs haben attraktive neue Arbeitsplätze geschaffen. Im Bereich der Telekommunikation und der neuen Technologien sind viele neue Unternehmen entstanden. Eine international erfolgreiche Pharma- und Chemieindustrie trägt zu einer hohen Wertschöpfung bei. Die Regio Oberrhein gilt als Muster für ein offenes Europa der Regionen. Der früher eher passive Mittelstand ist nicht nur gesellschaftlich, sondern neuerdings auch politisch aktiv und dabei gleich fantasie- und ideenreich wie dies bisher sonst nur rund um die Basler Fasnacht möglich war.

Jörg Schild
Polizei- und Militärdirektor
Basel-Stadt (FDP)
Wertschätzung gegenüber Andersdenkenden

Angesichts schwarzer Zahlen in Budget und Rechnung des Kantons Basel-Stadt werden auch die letzten Zweifler in der Nordwestschweiz zur Ueberzeugung gelangen, dass die Stadtbasler nicht über die Kantonsgrenzen blicken, um ihren eigenen Finanzhaushalt ins Gleichgewicht zu bringen. Vielmehr wird sich je länger je mehr die Einsicht durchsetzen, dass Probleme in einem natürlichen gemeinsamen Lebensraum nur gemeinsam gelöst werden können. Altes "Gartenhag-Denken" sollte endlich ausgedient haben. Auf unsere Region bezogen bedeutet dies, dass die Grenzen im Raume nördlich der Juraketten bis hin nach Freiburg und Mulhouse kontinuierlich abgebaut werden. Es ist zu hoffen, dass auch die ewigen Nein-Sager begreifen werden, dass ein "Europa der Regionen" nicht einer Abschaffung der Souveränität der Eidgenossenschaft gleichkommen wird.

Es wird künftig vermehrt auf einem höheren Niveau politisiert werden können, denn:
• Es wird sich die Erkenntnis durchsetzen, dass wir nur mit der entsprechenden Gesprächskultur und der Wertschätzung gegenüber Andersdenkenden anstehende Probleme, beispielsweise in den Bereichen Ausländer- oder Verkehrspolitik erfolgreich werden angehen können.
• Immer mehr Bürgerinnen und Bürger werden zur Ueberzeugung gelangen, dass ewiges Nörgeln die eine Sache ist, tatkräftiges Mitanpacken indessen die andere.
• Stets mehr Baslerinnen und Basler werden, aus andern Städten und Ländern ans Rheinknie zurückkehrend, anerkennend feststellen, das es um unseren Kanton gar nicht so schlecht bestellt ist, und es sich lohnt, etwas für unsere Region zu tun.
• Es wird vermehrt Persönlichkeiten geben, die ihr immenses Erfahrungswissen und auch ihre Führungsfähigkeiten dem Staatswesen in irgend einer Form zur Verfügung stellen.

Prognosen, Wünsche, Visionen? Politiker ohne Visionen sollten ihren Job so rasch wie möglich an den Nagel hängen.

Andres Leuenberger
Vizepräsident Hoffmann-La Roche, Präsident Vorort
Ganz vorne in der Weltliga: Chemie und Pharma

Bis in zehn Jahren hat sich Basel zur "Kulturstadt Europas" gemausert und lockt Leute aus aller Welt mit seinen faszinierenden architektonischen und musealen Sehenswürdigkeiten ins Dreiländereck am Oberrhein. Damit nicht genug: dank der konsequenten Konzentration auf seine Stärken hat Basel zudem Zürich als Wirtschaftsmetropole der Schweiz klar hinter sich gelassen.

Mit einer steigenden Zahl von Chemie- und Pharmaunternehmen, die in ihren Märkten in der Weltliga ganz vorne mitspielen, geniesst die Region als Denk- und Werkplatz international einen ausgezeichneten Ruf. Die Gründung der Eidgenössischen Biotechnologischen Hochschule hat dem Biovalley am Oberrhein zusätzliche Impulse gegeben, und zu einem steten Fluss an Biotech-"Start-ups" geführt. Diese tragen dank kreativer Forschung und Entwicklung in den Biowissenschaften wesentlich zur wirtschaftlichen Blüte Basels bei. Neue Dienstleistungsunternehmen entstehen, das Gewerbe floriert. So gedeihen in der Region immer mehr junge Firmen, die ihre Spezialitäten in die ganze Welt exportieren.

Im Zuge der regionalen wirtschaftlichen Integration ist der Austausch über die Grenzen für die Menschen längst Alltag - wie vor dem Ersten Weltkrieg braucht dazu niemand einen Pass. Am oberrheinischen Dreiländereck zwischen Jura, Schwarzwald und Vogesen sind die Grenzen dank der Öffnung gegen Europa durchlässiger denn je - mit dem "Trämli" fährt man ohne Halt nach Grenzach in Deutschland oder nach St. Louis im Elsass; und wer es besonders eilig hat, nimmt die regionale S-Bahn. Der Pendelverkehr hat jedoch deutlich abgenommen und die Strassen sind morgens kaum mehr verstopft. Der Grund dafür liegt im Siegeszug von Informatik und Telekommunikation. Selbst die vielen Zürcher, die in den florierenden Basler Unternehmen Arbeit gefunden haben, müssen nicht jeden Tag in die Rheinstadt pendeln, weil sich eine immer grössere Zahl zu Hause an den Arbeitsplatz einloggen und "online" auch aus der Limmatstadt zur Basler Wertschöpfung beitragen kann.

Das prosperierende Bio-Valley am Oberrhein lockt nicht nur neue Unternehmen an, sondern fast täglich landen auch Politiker aus dem fernen Silicon Valley auf dem interkontinentalen EuroAirport, um in der Stadt am Rheinknie zu studieren, wie es möglich war, dass die Region Basel in den Biowissenschaften weltweit den Takt angibt...

Selbst der FCB ist vom allgemeinen Aufschwung mitgerissen worden und spielt im schmucken St.Jakob-Park regelmässig vor vollen Rängen in der europäischen Champions League um die vorderen Plätze. Unverändert geblieben ist neben dem Rhein - er fliesst immer noch flussabwärts nach Norden - eigentlich nur die Weltoffenheit, die Toleranz - und natürlich der sprichwörtliche Basler Humor!


Ralph Lewin
Wirtschaftsminister
Basel-Stadt (SP)
Statt Auto-Abgase nur noch warmes Wasser

Im Jahr 2010 spielen die Grenzen in der Region Basel keine Rolle mehr. Basel ist auch im Alltag eine Stadt in drei Ländern. Meine ganz persönlichen Wünsche gehen dahin, dass die Armut zurückgeht und alle Einwohnerinnen und Einwohner vom Aufschwung profitieren. Innovative Wirtschaftsbereiche haben Tausende von neuen attraktiven Arbeitsplätzen geschaffen. Der öffentliche Verkehr ist das Fortbewegungsmittel und Autos produzieren als Abgas nur noch warmes Wasser.

In welche Richtung soll sich die Region Basel innerhalb der nächsten zehn Jahre verändern? Die alternativen Energien haben sich eine wichtige Position erobert. In der Gleichbereichtigung der Frauen ist unsere Gesellschaft einen wichtigen Schritt vorangekommen. Viele Arbeitsplätze ermöglichen dank ihrer Ausgestaltung Frauen und Männern die Verbindung von Erwerbs- und Familienarbeit. Das Wohnen in der Stadt ist wieder attraktiv, die Bevölkerungsstruktur ist ausgewogen, viele junge Familien kehren in die Stadt zurück. Das Zusammenleben von Einheimischen und Zugezogenen wird nicht als Problem, sondern als Chance erlebt.


René Rhinow
Professor,
alt Ständerat BL (FDP)
Universität der Nordwestschweiz

Die Region Basel 2010 wird in meiner Vision eine Region des "Aufbruchs und der Innovation" sein,

• der es gelang, die politische, wirtschaftliche und kulturelle Standortattraktivität zu erhöhen und die damit viele neue Arbeitsplätze, vor allem in zukunftsträchtigen Branchen, geschaffen und so die ökonomische Basis für eine solidarische Gesellschaft gelegt hat;
• welche es verstand, die politische Zusammenarbeit über alle Grenzen hinweg und in partnerschaftlichem Geist auszubauen (was vor allem durch die Mitgliedschaft der Schweiz in der EU erleichtert wurde) und ihr Gewicht auf Bundesebene zu verstärken (u.a. durch die Aufwertung der beiden Basel zu Vollkantonen);
• die massgeblich davon profitiert, dass sie über international anerkannte Institutionen verfügt, darunter die breit abgestützte "Universität der Nordwestschweiz", die in verschiedenen Disziplinen einen Spitzenrang einnimmt, und die kreative Messe mit weltweiter Ausstrahlung;
• die unaufhaltsam zu einem der kulturellen Zentren Mitteleuropas emporsteigt;
• welche die spezifischen Stadt- und Agglomerationsprobleme auf so vorbildliche Weise zu lösen vermag, dass sie zur Modellregion des 21. Jahrhunderts wird.


Gian-Reto Plattner
Basler Ständerat (SP)

Bessere und lustvollere Kooperation

Die Grenzen sind zwar noch da, aber überwunden, jene zur deutschen und französischen Nachbarschaft dank des EU-Beitritts der Schweiz, jene zu Baselland dank einer vielfach besseren und lustvollen Kooperation. Die Finanzlage ist gesund dank des neuen Schweizer Finanzausgleichs und dem Zuzug von guten Steuerzahlern, die Universität blüht, die Wirtschaft läuft und schafft Arbeitsplätze, die Stadt ist wohnlich und urban, der Münsterplatz autofrei, die Menschen sind zufrieden, die SVP ist wieder verschwunden und der FCB gewinnt die Meisterschaft, den Cup und die Champions League.

Sabine Pegoraro
Landrätin (FDP), Baselland
Basel-Stadt will jetzt auch Vollkanton werden

Die regionale Aufteilung bleibt unverändert, verschwunden sind jedoch die Blockie-rungen, welche die Erweiterung der Partnerschaft behinderten. Die ganze Region arbeitet zusammen und ist weiterhin einer der Motoren für die Wirtschaftsentwick-lung in der Schweiz, nicht zuletzt auch dank der engen Kooperation mit den Nach-barländern und der EU. Die als Folge der bilateralen Verträge befürchtete Migrationswelle aus der EU ist ausgeblieben, und die Unternehmen haben Mühe, das nötige Personal zu finden.

Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Schulwesen ist beispielhaft in der Schweiz. Die Universität und die Fachhochschule beider Basel stehen in ihrer vollen Blüte. Schul- und Studienabgänger und -abgängerinnen bilden sich vermehrt durch Auslandaufenthalte weiter. Die J2 und der Ausbau des regionalen Schienennetzes sind endlich realisiert. Dank vermehrter Investitionen in neue Technologien sind die Autos umweldfreundlicher und sparsamer denn je. Basel-Stadt hat eine neue Verfassung und will jetzt auch Vollkanton werden. Unsere Region stellt wieder einen Bundesrat oder eine Bundesrätin, und in den Regierungen von Basel-Stadt und Basel-Landschaft sitzen je zwei bürgerliche Frauen.

Meine persönliche Visionen: Die Lebensqualität steht stärker im Vordergrund, nicht nur die Anzahl der gelösten Probleme. Die Existenz- und Zukunftsängste sowie der Ehrgeiz, alles zu verbieten, werden abgelöst durch eine Aufbruchsstimmung und eine konstruktive Gestaltung der Zukunft.


Daniel Wiener
"
Werkstadt Basel"
Marktwirtschaftliche Parkplatz-Bewirtschaftung

Wie soll Basel (die Region) im Jahr 2010 ausehen? Das wichtigste: offene Grenzen. Basel ist eine Stadt mit 500 000 Einwohnerinnen und Einwohnern in drei Ländern. Seit dem Fall der Berliner Mauer ist Basel die einzige grosse Sektorenstadt Europas. Für die Passage von einem Sektor in den anderen braucht es einen Personalausweis. Warentransporte sind durch Zölle und Vorschriften stark eingeschärnkt. Die bilateralen Verträge zwischen der Schweiz und der EU werden hier hoffentlich bald teilweise Abhilfe schaffen.

Die Entwicklung der Basler Rheinhäfen zur innovativ vermarkteten Drehscheibe ökologischer Transportsysteme (Schiff und Bahn) kombiniert mit einem neuen, attraktiven Wohnviertel für über 2000 Menschen entlang des Rheins. Dieses befruchtende Nebeneinander von Hafen und Wohnen führen zahlreiche Städte, zum Beispiel in Holland und England, erfolgreich vor. Nur in Basel scheitert diese Vision bisher an diffusen Ängsten der Hafenverwaltung. Dabei liegt eine hervorragende Bebauungsidee der weltweit renommierten Basler Architekturfabrik Herzog & de Meuron vor.

In zehn Jahren wird Basel in der Schweiz wieder als das wahrgenommen, was die Dreiländerstadt ist: Ein wohlhabendes und liberales Bildungs- und Forschungszentrum mit hoher Lebensqualität. Weitsichtige Investitionen in die Grundschulen, die Universität, die Fachhochschulen sowie in Basis- und Spitzenkultur sind dafür Voraussetzung. Zweite Bedingung ist ein Durchbruch in der Verkehrspolitik. Basel muss für alle, die mit dem Auto kommen, gute Parkierungsmöglichkeiten (mit Tramanschluss) anbieten und gleichzeitig alle Parkplätze nach marktwirtschaftlichen Prinzipien bewirtschaften (je näher am Zentrum umso teurer). Diese Doppelstrategie erhöht die Wohnqualität, ohne die wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit der Stadt zu beeinträchtigen. Eine grosszügige Erweiterung der autofreien Innenstadt als Begleitmassnahme wird das Gesicht Basels zusätzlich aufwerten.


Wolfgang Schett
Basler Architektur-Professor an der ETH Zürich
Lust am Debattieren sollte aufkommen

Basel als Provinzstadt ist vielleicht zu klein und unbedeutend für grosse Visionen - und vielleicht genügt ja auch ein (auf)geklärter Blick auf die eigene Geschichte, in der Absicht, daraus etwas für die Zukunft zu extrapolieren. Im Wesentlichen sind es Personen, die diese Geschichte geschrieben haben, Persönlichkeiten, die in Basel gewirkt und für einen vitalen Diskurs gesorgt haben. Die Aufzählung dieser Personen ist langweilig, weil schon zu oft und oft genug missbräuchlich erfolgt. Trotzdem: Paracelsus könnte man erwähnen, allein schon weil er unbequem war - auch ein Teil der Basler Tradition.

Heute aber hat sich die Intelligentsia, so es eine solche noch gibt, ins Privatleben abgemeldet; der "Diskurs" wird derweil von den Klatschtanten des Monopolblatts geführt. Die Politik ist eingeschlafen, der Bildungs- und Kulturminister verfällt - wen wunderts - in eine Depression und muss seine Ämter niederlegen. Die Universität degeneriert zum willfährigen Dienstleistungsbetrieb. Stadtentwicklung wird nur noch als blinde Wirtschaftsförderung verstanden; diese wiederum kommt nicht so recht vom Fleck. Einzig die Chemie scheint mit ihrer Forschung noch einen Horizont zu haben - und zieht gute Leute aus aller Welt nach Basel.

Nicht eine Vision, aber ein kleiner flackernder Lichtschein für Basel wäre, wenn die, die es besser wissen und können (es muss sie geben, auch in Basel!), wieder zu Wort melden und einmischen würden: in der Politik, in der Bildung, in der Kultur, in der Stadtplanung usw. Wenn es Diskussion, Streit und Spektakel gäbe, wenn so etwas wie Lust am Debattieren aufkäme. Der letzte, der das tat, tat es vor gut dreissig Jahren, und man erinnerte sich kürzlich wehmütig an ihn, aus Anlass eines runden Geburtstages: Werner Düggelin. Gäbe es nur ein paar Leute dieser Art - das halbe Format würde längstens genügen - und Basel wäre bis mindestens 2010 saniert!


Hans-Rudolf Fischer

Leiter EU-Projekt
Seltisberg BL
Rückbesinnung auf die Basler Grundwerte

Basel wird die Kultur-Stadt des Humanismus und der medizinischen Forschung am Oberrhein sein. Basel hat sich wieder auf seine Grundwerte besonnen, deren Schwerpunkte sind: Zentrum der Philosophie und Ethik, Humanismus und Werteforschung, Zentrum der Medizin und Klinischen Forschung. Zentrum der Pharmaforschung, Gentechnologie und Diagnostik. Weltweites Kompetenzzentrum im Medizinbereich dank neuer Kommunikationstechnologien.

Basel soll innerhalb der nächsten zehn Jahre dynamischer, jünger und optimistischer werden. Basel muss verhindern, dass es das Zentrum frühpensionierter frustrierter Rentner wird. Basel muss die Zahl der im Staatdienst Stehenden, gutverdienenden und nur für sich denkenden Versace-Sozialisten verringern. Basel muss den Beamten-Overhead verringern. Basel muss wieder auf Forschung, Bildung und Wissenschaft setzen. Basel muss nicht Medienstadt werden, sondern die neuen Informations- und Kommunikationstechologien für die Vermittlung und Verbreitung wissenschaftlicher Kompetenz und Dienstleistungen (Medizin, Ethik) einsetzen.

Fotos: Claude Giger, Online Reports, zvg

30. Dezember 1999

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(c) by Peter Knechtli