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Swisscom: Hohe Qualität, aber bei Freiland-Leitungen nur noch kostensgünstigste Variante



Gemeinden von Swisscom überrascht: Per "Wäscheleine" ans Kundengeld

Neue Swisscom-Preispolitik: Erdverlegte Telefonleitungen kriegt nur, wer sie zahlt

Von Peter Knechtli

Umstrittene Preispolitik bei Swisscom: Aus Kostengründen werden Telefonkabel wie früher an Freiluftmasten gehängt. Wer erdverlegte Leitungen will, muss zahlen, wie das Beispiel Seltisberg zeigt.

Die Wohnlage in der Baselbieter Gemeinde Seltisberg, Domizil des neuen Ständeratspräsidenten René Rhinow, ist so exklusiv wie ihr Rufname "Erdbeerhügel": Oberhalb des Kantonshauptorts Liestal auf einer Jura-Hochebene gelegen, ist sie der Traum jedes Eigenheim-Besitzers.

Bauherr Dominik Lehner ist einer, dem mit seiner jungen vierköfpigen Familie kommendes Jahr das Glück winkt: Er bezieht eine von zwanzig neuen Liegenschaften, die demnächst am Rand des Seltisberger Dorfkerns im neu erschlossenen Gebiet "Zagenacher" gebaut werden. Doch die Swisscom trübte die Vorfreude: Das gediegene Quartier, beschied sie den künftigen Bewohnern zu deren Entsetzen, werde aus Kostengründen mit Freiluftleitungen erschlossen.

Swisscom demonstriert privatisiertes Preisbewusstsein

Was sich in den letzten Wochen in Seltisberg abspielte, ist beispielhaft für das, womit in naher Zukunft andere Schweizer Gemeinden und zahlreiche Bauherren konfrontiert werden: Mit dem neuen kommerziellen Auftritt der privatisierten Swisscom.

Die Verunsicherung auf Kundenseite ist heute schon gross: "Wir hatten schon verschiedene Anfragen von Gemeinden und Hauseigentümern", bestätigen Mitarbeiter des Bundesamtes für Kommunikation (Bakom) gegenüber der SonntagsZeitung. Als steuergeldfinanzierter Staatsbetrieb war die Erdverlegung von Telefonleitungen im Siedlungsgebiet eine Selbstverständlichkeit; als Privatbetrieb seit Beginn dieses Jahres setzt die Swisscom bei Neuerschliessungen auf den "kostengünstigsten Weg" (so Sprecher Sepp Huber) - und das ist ist häufig die Freileitung. Huber: "Wer andere Wünsche hat, muss er die Differenz gegenüber den Mehrkosten zahlen."

"Wäscheleinen" im Garten

So war es auch in Seltisberg, wo das ebenso höflich wie eilig vorgetragene Ansinnen, das neue Wohnquartier mit "Wäscheleinen" zu bestücken, auf einhellige Ablehnung stiess. Der für Tiefbau zuständige Gemeinderat Peter Küng: "Diese neuen Bewohner wollen doch keine Wäscheleinen in den Gärten." Die Bauherren fürchteten, dass ihr Wohnweg bald dem Kabelgehänge einer amerikanischen Vorstadt-Strasse ähnelt.

Mit ihrer Sparstrategie - Freileitung oder Geld - nutzt die Swisscom eine juristische Grauzone: Weder das Fernmeldegesetz noch die dazugehörende Verordnung schreibt der börsenkotierten Gesellschaft vor, in welcher Technologie sie ihre Drähte zu ziehen hat. Der Seltisberger Bauherr und promovierte Jurist Dominik Lehner ist jedoch der Meinung, dass die Swisscom als gesetzlich autorisierte Grundversorgungs-Konzessionärin bis Ende 2002 damit "gegen Treu und Glauben verstösst".

Auch die Finanzierung hat keine klare Rechtsgrundlage. Das Bakom stellt sich auf den Standpunkt, dass die Swisscom die Mehrkosten der Erdverlegung nur dann übernehmen muss, wenn kantonale Gesetze oder kommunale Bauordnungen dies verlangen. Bakom-Vizedirektor Peter Fischer spielt den Ball weiter: "Ist die Erdverlegung hingegen ein Wunsch, dann müssen sich Swisscom und Kunde auf einen geeigneten Schlüssel einigen."

Unterirdische Leitungen haben Vorrang

Dass die Erdverlegung freilich noch in kaum einem kommunalen Reglement steht, "nützt die Swisscom schamlos aus" (Gemeinderat Küng). Dass "Wäscheleinen" längst nicht mehr zeitgemäss sind, geht aus einem Brief hervor, den Bakom-Sektionschef Pascal Vollenweider Ende Oktober verfasste: "Der technische Fortschritt und die Erfordernisse des Landschafsschutzes" sprächen dafür, "dass man die Freileitungen durch unterirdische ersetzt".

Nur ist ungeklärt, wer zahlt. Gemeinden, die sich nicht rechtzeitig vorsehen, und Hauseigentümer, die sich nicht zur Wehr setzen, haben das Nachsehen. So geschehen in der Oberbaselbieter Gemeinde Böckten. "Zähneknirschend" (so Gemeinderat Peter Fiechter), aber ohne aktive Gegenwehr nahmen die Dorfbehörden die neue Swisscom-Preispolitik "zur Kenntnis" - die 16 frischgebackenen Einfamilienhausbesitzer im neuerschlossenen Gebiet "Golchen" zahlen für die Erdleitung den vollen Aufpreis.

Seltisberger Bauherren stehen auf die Hinterbeine

Dass sich Widerstand auszahlt, zeigt das Beispiel der Gemeinde Seltisberg, wo sich die Kunden weigerten, die Mehrpreis für die Erdverlegung voll zu übernehmen. In Verhandlungen mit der Swisscom handelten Gemeinde und Bauherren Ende Oktober einen schönen Kompromiss aus - teilweise in handschriftlichen Dokumenten festgehalten: Von der Differenz zwischen Freileitung (30'000 Franken) und unterirdischer Leitung (70'000 Franken) übernimmt die Swisscom - "unser Entgegenkommen" - 23'000 Franken. In die restlichen 17'000 Franken teilen sich die Bauherren, darunter als Anstösserin auch die Gemeinde.

Dominik Lehner ortet den Kern der wachsenden Verunsicherung im Verhältnis zwischen Swisscom und ihrer Aufsichtsbehörde in Biel: "Das Bakom steckt die Hände in den Sack und lässt sich von der Swisscom über den Tisch ziehen." Nach Lehners Auffassung müsste der Bund via Steuerkasse die Differenz übernehmen.

Sofort-Lösung: Anpassung der Bauordnung

Für Gemeinderat Peter Küng steht so viel fest, dass kein kommunaler Rappen in die Erdverlegung fliessen darf: "Wir können nicht einfach Swisscom-Leitungen subventionieren." Die einzige Sofort-Lösung zur Abwendung erneuter Steitfälle sieht der Kommunalpolitiker in einer Anpassung der Gemeindeverfassung: "Möglichst schnell" will er das Baureglement "mit einem Passus versehen, der verlangt, dass alle Werkleitungen in den Boden verlegt werden müssen".


Wettbewerbskommission

Kritik an ISDN-Preispolitik

Die Preispolitik der Swisscom bei der ISDN-Inbetriebsetzung ist auch der Wettbewerbskommission sauer aufgestossen.

Was die SonntagsZeitung aufgrund von Kundenhinweisen aufdeckte, hat jetzt auch die Wettbewerbskommission bestätigt: Bei der Inbetriebssetzung eines IDSN-Anschlusses kassierten Swisscom und Elektroinstallateure den Betrag von 85 Franken doppelt.

In einem Brief mit Datum vom 3. Dezember an zwei Swisscom-Kunden ortet das Sekretariat der Wettbewerbskommission den Hauptfehler bei den Installateuren: Es scheine so zu sein, dass der Eletrofachhandel die Vergütung der Swisscom in Höhe von 85 Franken "nicht oder jedenfalls nicht in einer für Aussenstehende transparenten Art und Weise an die Kunden weitergibt". Ein Missbrauch der starken Marktstellung der Swisscom liege nicht vor. Die Kommission weiter: "Leider ändert dies nicht an der Tatsache, dass die beschriebene Situation für die Konsumenten nicht befriedigend ist."

Ab Jahreswechsel kommt Ordnung in den Preis-Filz: Die Swisscom schafft die Vergütung an die Installateure ab.

7. Dezember 1998

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(c) by Peter Knechtli