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INTERVIEW MIT ROLF W. SCHWEIZER

KOMMENTAR
BERICHT UEBER FUSION



Foto Clariant

Mann der zwei Gesichter: Clariant-Chef Rolf W. Schweizer


Rolf "Weltweit" Schweizer -
Chemie-Verkäufer aus Berufung


Der verhinderte Sandoz-Präsident führt mit Clariant jetzt einen Konzern, der grösser ist als Sandoz

In seiner Lebensfirma Sandoz erreichte er den Gipfel der Macht nicht. Erst im Pensionsalter, beim Aufbau des Spezialchemikalien-Spin-offs Clariant, kam Rolf W. Schweizer so gross heraus, wie er es immer schon wollte.

Wer in seine verschmitzten Augen schaut, seinem unterschiedlich streng geschnittenen Bürstenschnitt gegenübersteht und dazu der Salven zischender Konsonanten lauscht, spürt sofort: Der Mann spielt nicht lieb-lieber hat das Ziel vor Augen. So steht Rolf W. Schweizer, Verwaltungsratspräsident der alten und neuen Clariant, 68jährig, auf dem Höhepunkt seiner Karriere.

Rentner ist Schweizer nur gemessen an seinem Alter. Wenn's ums Entscheiden geht, dann handelt er wie ein ungestümer Springinsfeld. Vor anderthalb Jahren holte er mit der Uebernahme des Spezialchemikalien-Sparte von Hoechst zu seinem ersten grossen Coup aus. Damit verschaffte er sich das entscheidende Volumen und die Voraussetzung, bei neuen Deals die Führungshand zu spielen. So war es letzten Montag, als er die Fusion mit der zur faktischen Parallelfirma geratenen Ciba-Spezialitätenchemie bekanntgab.

Jetzt wird Schweizer Chef über 55'000 Mitarbeiter in 120 Ländern und einen Umsatz von 18 Milliarden Franken.

Somit ist Schweizer aber auch Chef eines Weltkonzerns, der grösser ist als Marc Morets Sandoz zum Zeitpunkt der Fusion zu Novartis - jener Firma, in der Schweizer gross geworden ist.

Schweizer ist nicht Chemiker, wie viele immer wieder vermuten, sondern promovierter Oekonom, und sein Metier kennt er von der Pike auf. Seine Karriere begann vor 40 Jahren nach dem Studium in St. Gallen, als Farben- und später Chemikalienverkäufer der Firma Sandoz. Er war zuständig für Deutschland und Osteuropa, "und somit am richtigen Ort", kommentiert ein langjähriger Kenner. 1976 wurde Schweizer Leiter der Sparte Ernährung in Bern und gleichzeitig Geschäftsführer der Wander AG.

Marc Moret: "Cher Rolf"

Als der Freiburger Marc Moret die Macht im Weltkonzern übernahm, ging es mit Schweizer "raktenhaft" (so ein Vertrauter) aufwärts: Schnell überholte er andere, die zuvor über ihm standen. Er wurde Chef der Chemikalien-Division, die zusammen mit Pharma zu den wichtigsten Pfeilern des Sandoz-Geschäfts gehörte, 1994 als Nachfolger Morets Chef der Konzernleitung und Delegierter des Verwaltungsrates.

Mit dem späteren Novartis-Architekten Marc Moret verstand er sich so gut, dass er zu den wenigen in der Firmenspitze gehörte, die vom Patriarchen mit "cher Rolf" angesprochen wurden. Schweizer verfügte über die gefragten Eigenschaften (ein Kenner: "fähig, skrupellos, pickelhart"). Der ehemalige Oberst der Schweizer Armee und Kommandant des Infanterie-Regiments 21 entscheidet im Berufsleben laut Kennern "immer aus dem Sattel". Für seine Sandoz-Umgebung war er keineswegs pflegeleicht. Er agierte als zielbewusster Offizier und Kämpfer, der bei Bedarf auch schonungslos Ellenbogen und Schlitzohrigkeit einzusetzen wusste. Dies schien Moret zu gefallen, auch wenn gelegentlich Verletzte zurückblieben.

Der Oeffentlichkeit fühlte sich Schweizer lange Zeit wenig verpflichtet, er verstand sich als Privatwirtschafter. Auf gewisse Fragen von Medienschaffenden sagte er: "Da reagiere ich überhaupt nicht. Das erhöht unseren Umsatz nicht." Im Gefolge der Brand-Katastrophe von Schweizerhalle zählte er zu jenen Führungskräften, die für "Herunterspielen!" plädierten.

Rolf Schweizer hat zwei Gesichter

Interessant: Die Kritik aus Schweizers Umgebung bezog sich meist auf den ungehobelten Teil seines Umgangs, was zu überraschenden Feststellungen führte: "Mit diesem Stil konnte ich nichts anfangen, aber ich fand ihn überzeugend."

Seine unternehmerischen Fähigkeiten sind unbestritten und anerkannt. Er zählt weltweit zu den besten Kennern von Märkten und Personen im Chemikalienbereich. "Da kennt er jeden Kessel und ungefähr jeden Produktionsleiter auf der ganzen Welt", attestiert ihm ein Kenner. Ohne mit den entscheidenden Schalthebeln der Branche vertraut zu sein, dürfte auch die völlig überraschende Uebernahme der Hoechst-Sparte nicht möglich gewesen sein.

Auch wenn Schweizer kein Manager zum Anfassen geworden ist, hat er inzwischen allerdings gelernt, die Oeffentlichkeitsarbeit zur Erreichung seiner Ziele zu nutzen. Seine Präsentationen vor laufenden Kameras sind professionell prägnant aufs Entscheidende fixiert. Dabei liest er keine vorbereiteten Reden ab, sondern referiert aus dem Stegreif, gedanklich unterstützt von einigen Stichwort-Folien.

Ein patriotischer Global-Denker

Selbst die Clariant-Angestellten sehen im Präsidenten, Delegierten und neuen Voristzenden der Schweizerischen Gesellschaft für Chemischen Industrie (SGCI) einen fähigen Chef und brillanten Strategen mit hochsensiblem Riecher, auch wenn er ihnen den geforderten Einheitsvertrag noch nicht zugesagt hat: Intern wird Rolf W. (für Walter) fast anerkennend Rolf "Weltweit" Schweizer genannt.

Kein Zweifel: Offizier Schweizer ist Schweizer Offizier auch im Unternehmen. Aber ganz im Gegensatz zu seinen Ziehvater Moret ist er "kein persönlich-charismatischer Macht-Mensch, sondern interessiert an der Sache". Personenkult ist ihm abhold, an seinen Bergwanderungen oder beim Segeln will der Naturfreund die Oeffentlichkeit nicht teilhaben lassen.

Es ist kein Geheimnis, dass Schweizer bei Sandoz gern zum Nachfolger Morets avanciert wäre. Noch 1994 schien das Glück zum Greifen nah: Er stieg zum Delegierten des Verwaltungsrates auf. Doch ein Jahr später nahm seine Karriere eine entscheidende Wende: Er wurde Präsident - aber nicht von Sandoz, sondern von der ausgegliederten Sparte Feinchemikalien namens Clariant. Kurz darauf kam es zur Fusion mit Ciba: Moret blieb der letzte Sandoz-Präsident.

Statt mit einem Deutschen (Karl-Gerhard Seifert, Clariant alt) oder einen Oesterreicher (Hermann Vodicka, Ciba SC) hat es Global-Unternehmer Schweizer mit Rolf Meier (55) jetzt wieder mit einem waschechten Schweizer als neuem CEO zu tun. Ein Kenner: "Schweizer ist ein überzeugter Patriot und wirklich schweizerischer als Rolf Meyer."

14. November 1998

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(c) by Peter Knechtli