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Disclaimer UBS

Schützt sich auf ihrer Homepage auch mit Gültigkeitsvorbehalt: Weltkonzern UBS



Löschtaste für Online-Handel

Schweizer Muster-Prozess über E-Commerce zeigt: Staatliche Rechtsordnungen werden dem Welt-Medium Internet nicht mehr gerecht

Das Internet macht die Welt auch für Geschäftsleute zum Dorf, doch die Rechtslage ist fragil: Wenn sich die österreichischen Apotheker gegen einen Schweizer Online-Händler durchsetzen, ist der E-Commerce in Frage gestellt.

Dass Hans Herzog, 68, aus Lachen SZ via Internet Melatonin zum Verkauf anbietet, passt österreichischen Apothekern gar nicht in den Kram: Auf ihren Antrag hin entschied das Landes- und Handelsgericht Feldkirch, Herzog dürfe seine Homepage in Oesterreich nicht verbreiten, weil das in den USA frei erhältliche Schlafmittel in Oesterreich nicht zugelassen sei.

Faktisch bedeutet dies: Herzog müsste seinen weltweiten Internet-Auftritt löschen - und damit möglicherweise auch gleich seine Geschäftsgrundlage.

Dem Gesuch der Pharmazeuten, das österreichische Urteil in der Schweiz zu vollstrecken, kam das Bezirksgericht March diesen August allerdings nur beschränkt nach: Es genüge, entschied der Einzelrichter, auf der Homepage "den Hinweis anzubringen, dass im Hoheitsgebiet der Republik Oesterreich diese Produkte nicht erhältlich seien".

Oesterreicher wollen Homepage aussperren

Herzog ist der gerichtlichen Aufforderung bereits nachgekommen. Doch den Oesterreichern genügt dies nicht: Per Nichtigkeitsbeschwerde verlangen sie jetzt vom Schwyzer Kantonsgericht den Entscheid, dass die Homepage in ihrem Land nicht verbreitet werden darf.

Der Gerichtstermin ist noch nicht angesetzt. Laut Herzogs Anwalt Patrick Wagner steht aber heute schon fest: Setzt sich das radikale Begehren der Apotheker durch, würde dies "das Ende des E-Commerce in der Schweiz bedeuten, noch bevor er richtig angefangen hat."

Denn: Das Welt-Medium Internet kennt keine Landesgrenzen. Einmal auf den Server geladen, sind Daten jeder Art sofort rund um den Erdball abrufbar. Dass pornografische Auswüchse oder Rassismus weltweit untolerierbar sind, darüber herrscht Einigkeit. Weit weniger klar dagegen sind die Grenzen im Handel mit Produkten und Dienstleistungen via Internet. Die Vorstellung indes, ganze Länder von der Verbreitung bestimmter Inhalte aussperren, zu können, ist faktisch unrealisierbar.

Bekämen die österreichischen Apotheker Recht, "so müssten alle Homepages, die gegen Ordnungsrecht irgend eines Landes dieser Erde verstossen, sofort vom Netz genommen werden" (Wagner). So nachvollziehbar das kommerzielle Interesse der Pharmazeuten an der Vermiesung von Herzogs rechtlich umstrittenen Online-Geschäft ist, so anachronistisch mutet es im Zeitalter der globalen Kommunikation und Vermarktung an.

Auch Multis arbeiten mit Vorbehalten

Betroffen wären dann nicht nur der Innerschweizer Melatoninhändler und seine Ostschweizer Konkurrenz, sondern möglicherweise auch weltweit operierende Multis, die sich auch mit Gültigkeitseinschränkungen ("Disclaimer") vor rechtlichen Problemen schützen:

• Die Homepage der Zürich-Versicherungen enthält den Vermerk: "Züritel ist nur in der Schweiz zum Versicherungsgeschäft zugelassen. Das vorliegende Internet-Angebot richtet sich lediglich an Personen mit Wohnsitz oder versicherbaren Werten in der Schweiz."

• Die UBS-Website über Anlagefonds enthält den Vorbehalt: "Die auf dieser Website angebotenen Produkte und Dienstleistungen sind Personen mit Wohnsitz in den Vereinigten Staaten von Amerika nicht zugänglich. Benutzer mit Domizil in andern Staaten beachten bitte die geltenden Verkaufsbeschränkungen für die entsprechenden Dienstleistungen." Dieser Hinweis ist laut UBS-Sprecher Rudolf Bürgin deshalb notwendig, "weil das Produkt bei der US-Ueberwachungsbehörde nicht registiert worden ist". Zu Klagen oder ernsthaften Beanstandungen ist es gemäss Bürgin bisher nicht gekommen: "Wir gehen davon aus, dass dieser Vermerk ausreichend ist."

Die UBS-Website, so heisst es in einem eigenen Anhang zudem, sei "nicht für Personen bestimmt, die einem Gerichtsstand unterstehen, der die Publikation bzw. den Zugang zur UBS-Website (aufgrund der Nationalität der betreffenden Person, ihres Wohnsitzes oder aus anderen Gründen) verbietet. Personen, auf die solche Einschränkungen zutreffen, ist der Zugriff auf die UBS-Website nicht gestattet."

• Der Familienbetrieb Ciel Information Technology im sanktgallischen Rebstein, ein Konkurrent des Schwyzer Melatoninhändlers, hat laut Inhaber Georg Kuchowsky aufgrund einer Verfügung des St. Galler Kantonsapothekers umgehend folgenden Vorbehalt in seine Homepage eingebaut: "Aufgrund der in der Schweiz und im Kanton St. Gallen geltenden gesetzlichen Bestimmungen können Anfragen aus der Schweiz nicht berücksichtigt werden." Im Aufklappmenü des Bestellformulars ist Schweiz nicht aufgeführt, pikanterweise aber Oesterreich.

"Rückfall in dunkle Zeiten"

Für Kuchowsky kann es "nicht angehen, dass ein Staat vom andern verlangt, die Homepage eines Anbieters zu löschen". Kuchowsky: "Das ist ein Rückfall in böseste Zeiten von Zensur und Unterdrückung."

Fachleute, von
REPORTS befragt, äusserten sich auffallend differenziert, solange es um nicht offensichtlich missbräuchlichen oder anstössigen Online-Handel geht. Ernst Gnägi, wissenschaftlicher Adjunkt im Bundesamt für Justiz, erkennt im E-Commerce "eine neue Dimension faktischer Möglichkeiten, das Recht zu umgehen", aber auch "die Grenzen von Rechtsordnungen zu überwinden".

Kleine Unternehmen sind verunsichert

Herbert Burkert, Assistenzprofessor für Informations- und Kommunikationsrecht an der Universität St. Gallen, erinnert daran, dass früher schon "Lotterieunternehmen regelmässig auf Kundensuche in Ländern gingen, wo Lotteriespielen nicht erlaubt war". Das Internet offenbare jetzt aber Probleme ganz neuer Dimension: "Gerade kleinere Unternehmen, die sich jetzt vom vom Schreibtisch zu Hause auf den Weltmarkt wagen könnten, sind verunsichert."

Der Dozent glaubt, dass die EU mit ihrem Instrumentarium am ehesten in der Lage ist, ein "Rechts-Dumping" zu verhindern. Er denkt dabei an den eben vorgelegten Entwurf einer EU-Richtlinie. Kern ihres Inhalts: E-Commerce-Unternehmen müssen dem Recht jenes Landes folgen, in dem diese Unternehmen ihre wesentlichen wirtschaftlichen Entscheidungen treffen. Burkert: "Was sie dort dürfen, dürfen sie dann auch in allen anderen EU-Ländern tun." In weiteren Schritten sollen die Regelungen auf OECD-Staaten und die WTO-Ebene ausgeweitet werden.

Bis die Rechts-Regeln für den faktisch bereits existierenden Online-Handel nachvollzogen sind, "fährt man gut, wenn man deutlich deklariert, an wen man sich wendet und an wen nicht" (Burkert).

"Ein neuer Kontinent entsteht"

Laut Professor Beat Schmid, dem Direktor des Instituts für Medien- und Kommunikationsmanagement der Universität St. Gallen und Mentor der Electronic Mall Bodensee, berührt die Rechtsfrage "einen Nerv des E-Commerce": "Rechtlich befinden wir uns hier in einer vulkanischen Zone, wo der neue Kontinent entsteht." Die definitive Gestalt dieses Kontinents stehe zwar noch nicht fest, so Schmid, es dürfte aber "sehr schwer sein, ihn in die alten Formen zu zwingen".

21. Dezember 1998

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