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Durrer-Interview

CVP macht sich Mut im Rückwärts-Gang

Parteispitze kündigt einen Kurs mit "mehr Ecken und Kanten" an

Die CVP steht vor einer Stil-Korrektur: Nach der verheerenden Wahlniederlage im Kanton Zug will Präsident Adalbert Durrer vor den eidgenössischen Wahlen "Krallen und Zähne" zeigen.

Mit einer stehenden Ovation quittierten die CVP-Delegierten an ihrer Parole-Versammlung am Samstag in Muttenz BL die schonungslose Vorwahl-Analyse ihres Präsidenten Adalbert Durrer: Der Obwaldner Nationalrat hatte der Parteibasis zuvor kräftig eingeheizt und den "Abschied von den Lieben und Netten" beschworen.

Die Fakten machen den Verbal-Radikalismus verständlich: Ein Debakel bei den kürzlichen Wahlen im Kanton Zug und ein prognostizierter Wählerverlust von fast drei Prozent bei den Nationalratswahlen vom Herbst nächsten Jahres.

Rückgang nicht gebremst

Trotz inhaltlicher, personeller und organisatorischer Erneuerung ist der Krebsgang nicht gebremst. Auch eigenständige Positionen zu Schwangerschaftsabbruch und zum Verhältnis der Schweiz zu Europa brachten der Partei der Mitte keinen neuen Zuspruch.

Durrer schreckte - ohne konkrete Beispiele zu nennen - nicht davor zurück, die Ursachen der Krise auch in Form von "Selbstzerfleischung und Querelen in den eigenen Parteireihen" zu suchen: "Hören wir auf damit!" Auch leide die Partei unter einer "mangelhaften Identifikation" vieler Mandatsinhaber auf allen staatlichen Ebenen und unter einer schleichenden "Konsumenten- oder Lehnstuhlmentalität".

Schwachpunkte ortete Durrer auch im Mangel an profilierter Themenführerschaft: So habe die CVP "im KMU-Bereich die Initiative ergriffen", das Thema aber schliesslich andern überlassen.

Künftig müsse die Partei ihr Image als blosse Mehrheitsbeschafferin ablegen: "Zeigen wir Kanten und Ecken, Stand- und Druckfestigkeit, Krallen und Zähne", provozierte Durrer einen Applaus auf offener Szene. Auch nehme sich die Partei künftig das Recht heraus "bei Bedarf vermehrt Nein zu sagen". Nur so könne die CVP die Trendwende aus eigener Kraft herbeiführen.

"Scharfmacher und Schaumschläger"

Mit Metaphern und Wortgeklingel wärmte auch Generalsekretär Hilmar Gernet die Delegierten auf. Seine Partei habe im angelaufenen Wahlkampf gegen "Schulterklopfer, Scharfmacher und Schaumschläger" anzutreten. Welches Thema allerdings die heissen Wochen vor dem 24. Oktober 1999 dominieren werde, "wissen wir nicht".

Sicher sei, dass heute Arbeitslosigkeit, Asyl- und Ausländerpolitik, die Sicherung der AHV und die Krankenkassenprämien sowie Europa, die Bundesfinanzen und die Drogenpolitik aktuelle Fragen seien, zu denen die CVP eine Antwort habe. Ebenso werde die "bereits früher gestartete KMU-Offensive" weitergeführt.

Auch Gernet kündigte an, die Partei werde künftig "klarer und härter" auftreten: "Wir wollen die dritte politische Kraft bleiben."

Damit war den Delegierten ins Gewissen geredet, konkrete - oder gar originelle - politische Inhalte erhielten sie nicht vermittelt: Der verbal-strategische Startschuss zum Wahlkampf wurde lebhaft, aber diskussionslos applaudiert.

Klare Parolen zu den eidgenössischen Vorlagen

Auch die Fassung der Parolen zu den eidgenössischen Abstimmungen förderte wenig Widerspruch zutage. Mit 216 Ja billigten die Delegierten einstimmig das revidierte Arbeitsgesetz, das heute als "eigentliche CVP-Vorlage" bezeichnet werden könne (so hiess es in der Einladung).

Ebenso deutlich, mit 196 Ja zu 21 Nein bei drei Enthaltungen, stellten sich die CVP-Delegierten hinter den Bundesbeschluss über den Bau und die Finanzierung des öffentlichen Verkehrs ("FinöV"). Während der Aargauer Nationalrat Peter Bircher die Vorlage engagiert vertrat ("Die Bahn soll attraktiver werden"), mochte sich der Thurgauer Nationalrat Hansueli Raggenbass "ein solches Finanzabenteuer nicht leisten".

Bundespräsident Flavio Cotti stellte die Bahn-Vorlage in einen historischen Kontext: Es gehe dabei um "eine Vision für ein ganzes Jahrhundert", die wichtiger sei als reine Zahlenüberlegungen. Es gelte zudem, die schweizerischen Vorteile einer ökologischen Verkehrspolitik gegenüber dem Stand der EU-Staaten zu erhalten.

Keine Chance für Droleg

Eine klare Abfuhr erteilten die Delegierten der Initiative "für eine vernünftige Drogenpolitik", die der Aarauer Chefarzt Reto Tscholl vertrat. Justizminister Arnold Koller warnte vor einem "drogenpolitischen Abenteuer" bei einer Freigabe von Heroin und Kokain: "Die Schweiz würde attraktiv für den intenationalen Drogenhandel." Mit 191 Nein zu 6 Ja bei 9 Enthaltungen folgten ihm die Delegierten. Unbestitten war der Bundesbeschluss über den befristeten Getreideartikel.




"Abschied von den Lieben und Netten": CVP-Präsident Adalbert Durrer
Parteipräsident Adalbert Durrer über Ziel und Stil der CVP

"Anders auf den Putz hauen"

Wo will die CVP künftig "klarer und härter" auftreten?

Adalbert Durrer: Wir wollen inhaltlich mit klaren Positionen aufwarten und uns besser verkaufen. Wir werden anders als bisher auf den Putz hauen und das auch nach aussen kommunizieren.

Die CVP will künftig vermehrt Nein sagen - eine Konzession an das derzeitigen SVP-Hauptmerkmal?

Durrer: Ganz und gar nicht. Ein Beispiel: Wir haben im Nationalrat der früheren Fassung des Arbeitsgesetzes zugestimmt. Die Partei und das Volk haben dann Nein gesagt. Das hätten wir im Nationalrat schon tun müssen. Wir waren in der Tagespolitik zu brav.

Wo will die CVP die Themen-Führerschaft übernehmen?

Durrer: In der Sicherung der Sozialwerke, bei allen allgemein gegen den Mittelstand gerichteten Problemen und in der Integrationspolitik, zum Beispiel bezüglich Europa und Uno.

Welchen Wähleranteil streben Sie bei den eidgenössischen Wahlen an?

Durrer: Das Ziel es ist es, den rückläufigen Trend zu brechen. Wir wollen die 16,8 Prozent Wähleranteil und die 49 Parlamentsmandate halten.

31. Oktober 1998

 

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(c) by Peter Knechtli