Internet macht Anwälte volksnah

Ganz im Trend: Advokaten bieten online Gratis-Rechtsauskunft an

Eine Aargauer Anwaltskanzlei bietet erfolgreich unentgeltliche Rechtsauskunft im Internet an. Einzelne Berufskollegen mucken auf.

Wenn Patrick Wagner (32), Rechtsanwalt in einer Fricktaler Advokatur, ein E-Mail verschickt, verweist er als Absender auf www.real-gschwind-wagner.ch - "vielleicht eine der originellsten Anwalts-Homepages der Schweiz". Was die Originalität des kundenorientierten Internet-Auftritts ("Wir kämpfen für Ihr Recht") vor allem ausmacht: Via Internet kann unter dieser Adresse unentgeltliche Rechtsauskunft innerhalb der angebotenen Spezialgebiete eingeholt werden.

In ein Dialog-Formular können Ratsuchende in Kürze ihr Problem schildern. "In der Regel beantworten wir die Anfragen innerhalb von zwei bis drei Tagen ab", sagt Jurist Wagner, der als leidenschaftlicher Internet-Anwender innerhalb der Anwaltskanzlei das neue Medium betreut. Einschränkung: Anspruch auf Beantwortung besteht nicht, auch ist Haftung ausgeschlossen.

Täglich eine bis zwei Online-Beratungen

Der in der Schweiz neuartige Dienst stösst in eine Marktlücke: Die Homepage verzeichnet monatlich bereits rund 1'000 Zugriffe, rund fünf Prozent der Besucher nutzen das Auskunftsangebot. "Täglich bieten wir eine bis zwei Online-Beratungen an, Tendenz steigend", freut sich Wagner über das wachsende Interesse an Digital-Consulting. Genutzt werde der Dienst vor allem von jüngeren Leuten. Die Themen kreisen um die Gebiete Ehe, Arbeit, Unfälle, Erbsachen, Bau- oder gar Internet-Recht.

Rund fünf Stunden setzen die drei Anwälte wöchentlich für ihre unentgeltlichen Auskünfte ein. Als Motiv gibt Wagner gemeinnütziges Engagement und "Spass an der neuen Technologie" an - aber auch die Möglichkeit, auf neue Art Mandate zu akquirieren. Bisher aber liege der Aufwand mit rund einem online erworbenen Auftrag pro Monat immer noch über dem Ertrag. Dennoch ist Wagner überzeugt: "Das Internet ist zumindest für Alltags-Rechtsprobleme ein ein zukunftsträchtiges Medium."

Verpönt ist nur "marktschreierische Werbung"

Nicht zur einhelligen Freude aller Berufskollegen: Wie die SonntagsZeitung erfuhr, ging beim Aargauischen Anwaltsverband die Anfrage eines Mitglieds ein, das die Uebereinstimmung des Online-Dienstes mit den Standesregeln bezweifelte. Danach gilt "marktschreierische und unwürdige Werbung" als "verpönt".

Laut Peter Heer, dem Präsidenten des Aagauischen Anwaltsverbandes, hält der Vorstand das Angebot der Fricktaler Kanzlei für unbedenklich: "Das ist ohne weiteres zulässig - ja sogar beste Werbung für den Anwaltsstand, der es auch nötig hat, auf diese Weise positiv in Erscheinung zu treten." Noch nicht diskutiert worden sei die Frage, ob ein Online-Dienst auch offensiv in der Zeitung beworben werden dürfe.

Dieser Fall sei nicht vergleichbar mit der zahlungspflichtigen Rechtsauskunft, die Tessiner Anwälte über eine 157-er Nummer anboten und durch die staatliche Anwaltskommission zurückgepfiffen wurden. Allerdings sei das früher strikt gehandhabte Werbeverbot weitehend aufgehoben worden. Selbst Verbandspräsident Heers Kanzlei tüftelt laut eigener Aussage an einer Homepage. "Wir haben schon eine E-Mail-Adresse."

6. September 1998

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(c) by Peter Knechtli