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Foto Ruedi Suter


Tragödie mit europäischem Ursprung: Rücksichtslos begehrtes Horn


Das Geilmittel Viagra kann die Rhinozerosse nicht retten

Die Sexpille bringt die Mär vom Nashorn-Horn als Aphrodisiakum nicht zum Verschwinden

Von Ruedi Suter

Noch leben weltweit 12.500 Nashörner. Doch den faszinierenden Dickhäutern droht das endgültige Verschwinden. Und dies trotz der Lustpille Viagra, die lendenlahme Chinesen nicht auf das angeblich scharfmachende Nasenhornpulver verzichten lässt - da sie dieses zwecks besserem Stehvermögen gar nie konsumierten, wie ihnen im Westen bis heute unterstellt wird.


So prächtig sie aussehen, so urtümlich und verblüffend elegant sie durch den Busch traben: Vier der fünf in Asien und Afrika lebenden Nashorn-Arten stehen am Rande der Ausrottung. In Freiheit leben weltweit von einst Abertausenden noch bestenfalls 12.500 Tiere. Für den Fortbestand der Art sind das gefährlich wenige, und deshalb stürzen sich Tierschützer auf jedes Zeichen, das zum Ueberleben der Gattung beitragen könnte. Die jüngste Hoffnung hiess Viagra.

Die blaue Lustpille, so kombinierten Nashornfreunde erregt, könnten dem Abschlachten der Rhinozerosse ein so jähes wie unverhofftes Ende setzen. Ihre Annahme: Lendenlahme China-Herren, die Viagra schlucken, brauchen kein Nasenhornpülverchen mehr, um sich und ihren Schlafgenossinnen das Tier im Manne zu zeigen.

Nichts mehr als eine westliche Mär

Alles Humbug, zerdeppert nun der WWF solche Ueberlegungen, wonach das neue Geilmittel das schwer gefährdete Nashorn retten könne. Die erstaunliche Begründung: In all den Jahren hätten die WWF-Experten nie nachweisen können, dass pulverisiertes Nasenhorn von den Chinesen gemäss ihrer alten Medizin zur Triebstimulierung eingenommen wird. Die Chinesen konsumierten das Rhinohornpulver "nur" als Medikament, früher, heute und sicher auch in Zukunft. Dass in China Nasenhornpulver Erlahmte wieder aufrichtet, sei nichts mehr als eine westliche Mär.

Wie zum Trost lieferte der WWF seine neusten Schätzungen und Zählungen über die letzten in afrikanischer Freiheit lebenden Schwarzen und Weissen Nashörner nach: Der Bestand sei wieder ganz sachte am Zunehmen. Allerdings, so die Nashornspezialistin Holly Dublin, gehe der Handel mit den abgehackten Nasenhörnern weiter. Von einer Entwarnung könne deshalb keine Rede sein.

Vernichtungsfeldzug und Schutzbemühungen

Sicher ist: Das Nashorn mit seiner 60 Millionen Jahre zählenden Evolutionsgeschichte wäre ohne die weltweiten Schutzanstrengungen längst schon ausgestorben. Den Vernichtungsfeldzug der Menschen überlebt haben vor allem Rhinozerosse in schwer zugänglichen oder gut bewachten Gebieten. Sie werden so gut wie möglich gezählt oder geschätzt:

• Breitmaul - oder Weisses Nashorn: 6.800 Exemplare in Südafrika, 25-30 der nördlichen Unterart in Congo-Zaire.

• Spitzmaul- oder Schwarzes Nashorn: 2.500 Ueberlebende vor allem in Kenia, Tansania, Namibia und Südafrika.

• Panzernashorn: 1.900 Tiere in Indien und Nepal, dank strikter Schutzmassnahmen in Nepal mit wachsendem Bestand.

• Sumatranashorn: 400 bis 500 Exemplare in Indonesien und Malaysia. Java- oder Schuppennashorn: auf Java versteckte Population von etwa 50 Tieren, in Vietnam noch geschätzte 8 bis 10 Tiere.

Seit 1977 Abertausende umgebracht

Vor zwei bis zehn Millionen Jahren verschwanden die Nashörner bereits aus Nordamerika, und in Europa erlagen sie der Eiszeit. Von den 30 Gattungen und 170 Arten, welche Paläontologen zum ursprünglichen Bestand zählen, überlebten gerade noch die fünf oben erwähnten bis ins Computer-Zeitalter.

Doch allein seit Mitte der siebziger Jahre ist der weltweite Nashornbestand um 95 Prozent dezimiert worden. 1977 zog das Washingtoner Artenschutzabkommen CITES die Notbremse und stufte die Nashörner in "Anhang 1" ein. Seither ist international jeglicher Handel mit Rhinos (Englisch) und deren Körperteilen verboten. Nicht ein einziges Nashornhaar darf heute mehr vermarktet werden.

Die Europäer begannen das Massaker

Die Tragödie der Nashörner ist in Afrika am deutlichsten nachzuweisen. Noch im 19. Jahrhundert lebten Spitzmaul- wie Breitmaulnashörner überall südlich der Sahara, mit Ausnahme der tropischen Regenwälder. Beim Auftauchen der Europäer dürften eine Million Spitzmaulnashörner die Landschaften belebt haben. Doch die weissen Eroberer starteten sofort mit einer gnadenlosen Jagd, so dass Besorgte damals schon Schutzgebiete für die Dickhäuter forderten.

Vor gut 30 Jahren dürften noch etwa 100.000 Spitzmaulnashörner Afrika bevölkert haben. Rund 2.500 haben überlebt, dank dem Einsatz von Tier- und Umweltschutzorganisationen, Regierungen, Wildhütern, Wissenschaftlern und Umweltorganisationen.

Verschiedenste Rettungsmassnahmen

Nur schon die afrikanischen Nashörner gegen die zumeist gut ausgerüsteten Wildererbanden zu schützen, wird im Busch immer mehr zu einer militärischen Aufgabe. Regierungen und Umweltorganisationen versuchen die Tiere in ständig bewachten und eingezäumten Schutzgebieten zu schützen, so z.B. in Kenia, im südlichen Afrika und neuerdings auch in Tansania.

Oder man fängt die schweren Unpaarhufer, sägt ihnen die Hörner ab wie in Simbabwe, oder transportiert sie mit aufwendigen Umsiedlungsaktionen in sichere Gebiete. Auch im Busch versucht man sie zu Fuss, im Auto oder vom Flugzeug aus nicht aus den Augen zu verlieren. Zudem bemühen sich die Behörden, die Schmuggel- und Handelswege des blutigen Nashorn-Hörner-Geschäfts zu unterbinden. Die abgehackten Nasenhörner finden sich in der Regel in Asien oder im Jemen wieder.

Nashornpulver contra Schwachsinn

Wer den Krieg um die letzten Nashörner dieser Welt gewinnt, ist ungewiss. Zu mächtig der Aberglaube unzähliger Asiaten, das pulverisierte Horn helfe als Medikament gegen Hämorrhoiden, Fieber, Nasenbluten, Lähmungen, Schwachsinn, Arthritis oder Kinderlähmung.

Zu prestigeträchtig aber auch der aus Nasenhorn gefertigte Griff des traditionellen Krummdolchs reicher Jemeniten. Obwohl im Jemen der illegale Nashornimport abnahm, wurden laut Experten zwischen 1994 und Ende 1996 jährlich zwischen 50 und 100 Kilo Nasenhorn ins Land geschmuggelt. Dafür haben zwischen 25 und 75 afrikanische Nashörner ihr Leben gelassen. Fragt sich nur, wo und in welchen Jahren. Immerhin ist Jemen am 23. April 1997 dem CITES-Artenschutzabkommen beigetreten, was als gutes Zeichen für das Ueberleben der letzten Rhinos gewertet wird.

Torpedierung des Handels mit Nasenhörnern

Nicht zuletzt spielt auch die Armut in den afrikanischen Ländern eine Rolle: Im Gegensatz zu den Drahtziehern sind die Wilderer im Busch häufig mausarme Kerle, die durch das Umbringen eines der schwergewichtigen Pflanzenfressers und mit der Lieferung eines Horns Geld in der Höhe mehrerer Jahressaläre eines gutbezahlten Beamten einstreichen.

Für ein Horn sollen auf dem asiatischen Markt schon bis zu 55.000 Dollar hingeblättert worden sein. Kein Wunder, dass darum auch in gut geschützten Gebieten immer wieder Tiere ihr Leben lassen müssen, wie drei Nashörner Anfangs 1998 in Kenia, welches wieder einen Nashornzuwachs vermelden kann.

Das vielleicht wichtigste Ziel der Nashornschützer ist es, den Handel mit den aus zusammengeklebtem Haar zusammengesetzten Nasenhörnern abzuwürgen. Denn kann das Geschäft mit dem Nashornhorn nicht gestoppt werden, gibt es für das langfristige Ueberleben der urweltlichen Nichtwiederkäuer keine grosse Hoffnung mehr.

Verbesserungen sollen motivieren

Nebst der Zerschlagung des Handels und Schmuggels wird vor allem auch eine Verschärfung der nationalen Antiwilderei-Strafgesetze und des Schutzes im Busch angestrebt beispielsweise durch eine bessere Motivation und Bezahlung der Wildhüter, bessere Ausrüstung wie Geländefahrzeuge, Nachtsichtgeräte und automatische Waffen, bessere Kontrollen mit Zäunen auch in Reservaten.

Weitere Anstrengungen sind: die Umplazierung gefährdeter Nashörner, die Erhaltung ihres notwendigen Lebensraums und der Biodiversität, der Miteinbezug der lokalen Menschen in finanzieller und ideeller Hinsicht und verantwortungsvoller Tourismus. Gewicht gelegt wird ausserdem auf eine sichere und überlegte Zuchtstrategie mit Wiederansiedlungen in leergewilderten und nun streng überwachten Gebieten.

Genetische Variabilität erhalten

Alles Vorhaben, die eine Unmenge Geld verschlingen. Sie sind aber notwendig, um die Zahl der Nashörner nicht weiter schrumpfen zu lassen und die genetische Variabilität zu erhalten. Ohne diese drohen Inzucht, Degeneration und Aussterben. Obwohl bei den Nashörnern noch keine äussern Anzeichen für Inzuchtdefekte erkennbar sind, bleibt die Gefahr bestehen, da sich die Zuchtgruppengrössen bereits in einem gefährlich kleinen Bereich bewegen.

Unklar ist, ob 500 oder 5.000 Tiere als Grundstock für das Ueberleben einer Population wichtig sind. Um die Strategie der weltweiten Nashornzucht mit Erfolg durchführen zu können, sind in Zoologischen Gärten sogenannte Zuchtgruppen aufgebaut worden. Ein Vorgehen, das mit Zuchtbüchern koordiniert wird.

Mit sanftem Gemüt auf ewig verschwunden?

Für die afrikanischen Nashörner wird das Zuchtbuch in Berlin geführt. Mit überregionalen Nashorn-Austauschen zur Blutauffrischung und wissenschaftlichen Kontakten zur Wildnis-Population versucht man auch eine genetisch optimale Weiterzucht sicherzustellen. Expertinnen und Experten sind sich demnach einig, dass vor allem eine Kombination von Antiwilderei-Management im ursprünglichen Lebensraum, dann aber auch eine optimale Fütterung und Haltungsbedingung in den Zoologischen Gärten (neu: Naturschutzzentren) sowie ausgeklügelte diagnostische Methoden das sich überraschend elegant bewegende Nashorn vor dem endgültigen Verschwinden bewahren können. Gelingt dies nicht, wäre unsere Welt ohne die mit einem sanften Gemüt gesegneten Nashörner verarmt. Und dies unwiederrufbar.



Die ersten Nashörner in Europa

Will man den Ueberlieferungen glauben, brachte Pompejus im Jahre 61 vor Christus aus Aethiopien das erste einhornige Nashorn zu den Spielen nach Rom. Das erste asiatische Nashorn tauchte 1515 in Europa auf. Dies nach dem Fall des römischen Reiches als Geschenk aus Indien für den portugiesischen König Manuel in Lissabon. Nach einer Skizze dieses Panzernashorns fertigte Albrecht Dürer im gleichen Jahr seinen berühmten Holzschnitt an: Ein Tier, das aussieht, als ob es mit Schabracken bekleidet wäre und Panzerschuppen an den Füssen trage. Dürers Holzschnitt war fast 200 Jahre das einzige Bild, das man von einem Nashorn besass.

1868 gelangte das erste afrikanische Nashorn in einen europäischen Zoo: Ein Spitzmaulnashorn, das anlässlich des 40jährigen Bestehens des Regent Park Zoos in London aufgenommen wurde. Das erste Spitzmaulnashorn in Gefangenschaft kam 1941 in Chicago zur Welt. Das zweite wurde im Zoo von Rio de Janeiro und das erste europäische "Zoo-Nashorn" 1950 in Frankfurter Zoo geboren. Eine produktive Nashornhaltung in den Zoologischen Gärten wird erst seit wenigen Jahren betrieben. Vorher achtete man kaum auf die Nachzucht. Dafür wurden die urtümlichen "Viecher" ebenso begafft wie bestaunt.

25. September 1998

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(c) by Peter Knechtli