Ein fast fassbares Phantom

Kabarett-Geschwister Birkenmeier mit «The Phantom of Europera» in Basel

Von Ruedi Suter

Ja, was ist das eigentlich genau, diese Europäische Union, die sich um das eingekesselte Schweizerland immer mächtiger gen Himmel buckelt? Die Antwort, so wissen die Kabarett-Geschwister Michael und Sibylle Birkenmeier in ihrem neusten Wurf «The Phantom of Europera», ist wohl nur in Brüssel zu finden. Und so nimmt es das Publikum mit, auf eine beklemmend heitere Expedition durch genormtes Euroland, bis in die rätselhaften, mit nationalen Bauchnabel-Anbetern oder abgehobenen Nationen-Verschmelzern bevölkerten Asbesthallen des europäischen Ein-, Um- und Abschaltzentrums. Der feste Vorsatz der Reiseführer Birkenmeier: «Wir schauen uns Europa ohne Vorurteile an!»

Dies gelingt natürlich nicht ganz, haben die beiden doch «Lust auf Politik - Europapolitik!» und sich zudem verpflichtet, «die Dinge zu sagen, die heute gesagt werden müssen». Aber wehe, sie sagen es nicht nur - sie singen, musizieren, dolmetschen und schauspielern es derart frech und famos, dass einem das werdende Neu-Europa («Ich bin die Leere, die aus Fülle besteht») schon fast leid tun möchte.

Doch dazu lässt es das geistreiche Basler Duo nicht kommen. Hinterhältig holt es uns zurück in so häufige wie peinliche Alltagszenen unseres euroängstlichen Heimatlandes. Jählings sehen wir uns mit furchtbar Bekanntem konfrontiert, das uns wieder nach dem Grossartigen in der europäischen Idee sehnen lässt. Das Spiessige schweizerischer Prägung wird auf die Schippe genommen, von Dialekt sprechenden Angebern, Nörglern, Schwaflern bis hin zu den Überkorrekten, Verdummungsmedien und Selbstdarstellern, die sich gar vor laufender Kamera den Wurm aus dem Reissverschluss fischen würden.

Diese schauspielstarke, wortspielreiche Exkursion durchs Heimatland verliert sich wiederum in der Grenzenlosigkeit der euro-globalen Nebelzonen, wo hemmungslos genmanipuliert werden darf. Doch plötzlich schliesst sich der Kreis wieder, wir sind zurück, in Europa - und somit in der Schweiz. Das Publikum wird fixiert: «Haben Sie Angst? Sind Sie europhob?» «Haben Sie Angst, solange sie noch zu haben ist!» Und dann: «Wir lassen uns Europa nicht verpassen - sonst haben wir es verpasst!»

Alles klar? Phantome sind halt nie ganz fassbar, und europäische schon gar nicht. Zum Abschied trällert das Duo Birkenmeier unschuldig: «Brüssel - eine Stadt zum Träumen!» Phantastisch, was aber, wenn sie zum Alptraum wird?

Bis 21. November im Theater Fauteuil, Basel , täglich ab 20 Uhr (ausser Sonntag und Montag)

23. Oktober 1998

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(c) by Peter Knechtli