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"Ohne Hilfe geht es nicht": Neu geborene Drillinge


Wenn an der Futterkrippe plötzlich Gedränge herrscht

Die Schweizerische Vereinigung von Drillings-, Vierlings- und Fünflingseltern will ihre Bekanntheit vermehren

VON PETER KNECHTLI

Wenn eine Frau Mehrlinge zur Welt bringt, wird aus dem feudigen Phänomen sehr schnell knochenharter Alltag: Jetzt will die Schweizerische Vereinigung von Drillings-, Vierlings- und Fünflingseltern ihr Unterstützungsangebot ausbauen und vermehrt an die Oeffentlichkeit treten.

"Wenn irgendwo auf der Welt Achtlinge geboren werden, dann stehen sie und ihre Eltern im Mittelpunkt der Medien. Drillinge und Vierlinge sind dagegen kaum ein Thema." René van de Velde (44), Ausbildner und Physiotherapeut am Kantonsspital Schaffhausen, weiss, wovon er spricht: Er ist selbst Vater von Drillingen, seit seine Frau Zwaantje 1989 die drei gesunden Buben Patrick, Alexander und Alain, alle über zwei Kilogramm schwer, zur Welt gebracht hatte. Ueber Nacht erhielt das eineinhalbjährige Töchterchen Dominique drei Geschwister.

Seither wissen René und Zwaantje van de Felde auch, was es bedeutet, wenn an der Futterkrippe und andernorts im Haushalt plötzlich Gedränge herrscht: "Das Leben ändert sich grundlegend. Im ersten Jahr nach einer Mehrlingsgeburt müssen sich die Eltern auf Arbeit rund um die Uhr einrichten. Erst im zweiten Jahr nimmt der enorme Aufwand etwas ab."

Vollpensum mit Drillingen

Vater van de Velde ging seinem Beruf in dieser struben Zeit trotzdem im Vollpensum nach und absolvierte gar noch eine Zweitausbildung. "Aber wir hatten während 15 Monaten eine Hilfe, die uns täglich während acht bis zehn Stunden unterstützte." Finanziell griff der Familie der Haus- und Krankenpflegeverein unter die Arme.

Organisierten Support gab es damals nicht, doch die Eltern hatten Glück: Wenige Monate nach der Drillings-Geburt gründete eine kleine Gruppe Enthusiasten 1990 die Schweizerische Vereinigung von Drillings-, Vierlings- und Fünflingseltern. Van de Veldes wurden Mitglied und seit 1994 ist Vater René ihr Präsident. "Durch die eigene Betroffenheit merkt man, wo die Probleme liegen", bilanziert er heute.

Probleme gibt's tausendfach: Arbeit, Platz und Geld. Meist reicht der bestehende Wohnraum nicht aus, kurzfristiges Zügeln in ein grösseres und teureres Heim wird nötig; die Mobilität wird stark eingeschränkt, anderseits reicht ein normaler Personenwagen meist nicht mehr. "Wenn ein Drillingstreffen stattfindet", sagt René van de Valde lachend, "dann fahren alles Kleinbusse vor".

600 Franken monatlich für Windeln

Da Mutter Natur Mehrlingskinder nicht nur begüterten Eltern schenkt, droht "in vielen Fällen eine finanzielle Ueberlastung". Die vor zwei Monaten in St. Gallen geborenen Vierlinge bescheren den Eltern Antonio und Annamaria Amato allein 600 Franken monatlich an Windelnkosten. Für die Entlastung im Haushalt oder bei der Kinderbetreuung ist - je nach Intensität und Qualifikation der Hilfe - mit monatlichen Kosten zwischen 160 und 2'000 Franken zu rechnen. Beihilfe ist weder vom Staat noch von den Krankenkassen zu erwarten.

Mit eigenem Geld kann auch der Verein nicht helfen: Sein Jahresbudget liegt um spartanische 4'000 Franken, ehrenamtliche Tätigkeit ist Ehrensache. Doch die Organisation kann Hilfe zur Selbsthilfe bieten, denn, so belegt auch eine Umfrage, "ohne Hilfe geht es nicht" (van de Velde). Dazu gehört, dass der Verein Institutionen oder Familien-Fonds angeht, die gezielte finanzielle oder projektbezogene materielle Hilfe - beispielsweise einen Tumbler - beisteuern können. Geld und Güter werden jedoch nicht durch den Verein, sondern über den jeweiligen Haus- und Krankenpflegeverein zugewiesen.

Das Schwergewicht der Vereinstätigkeit liegt in der Beratung. Dazu gehört

• eine Telefonbörse zur Vermittlung von Drillings- und Vierlingswagen, Betten und Autositzen, damit die Ausstattungskosten möglichst tief bleiben,

• eine vereinseigene Bibliothek mit rund 30 Büchern über Mehrlinge und Frühgeborene,

• eine Beratungsstelle, die bei der Suche nach Haushalthilfen oder Finanzierungsmöglichkeiten weiterhilft,

• eine Fachfrau, die Mütter über das Stillen von Mehrlingen berät.

Zweimal jährlich erscheint eine Zeitung. Ebenso finden jährlich zwei Tages- und Wochenend-Treffs statt, an denen sich die Eltern über Probleme und Lösungen austauschen. Dazu zählen auch die gesundheitlichen Folgen der Frühgeburten mit allen ihren Komplikationen auch nach der Geburt, sei es Therapie oder Intensivpflege. Unter Mehrlingen ist der Anteil behinderter Kinder grösser "und das belastet die Familien auch", erklärt der Vereinspräsident.

Keine Stellungnahme zu Reproduktionstechniken

Mehrlingsgeburten sind in wachsender Zahl aber auch Folge von Hormonbehandlungen und modernster Reprodutkionsmedizin. "Diese Techniken und mögliche Folgen sind bei uns kein Tabu", sagt Präsident van de Velde, aber versteckten Argwohn ("die sind selbst Schuld") gebe es nicht: "Der Verein nimmt zu den Reproduktionstechniken keine Stellung. Ihre Inanspruchnahme liegt in der persönlichen Verantwortung jedes Einzelnen." Nötig ist seiner Ansicht nach aber eine bessere Beratung von Mehrlingseltern nicht nur vor der Geburt, sondern vor allem bereits vor der Behandlung.

Und hier setzt die neue Politik der Vereinigung von Drillings-, Vierlings- und Fünflingseltern ein: Die Organisation ist unter künftigen Mehrlingseltern zu wenig bekannt. René van de Velde will künftig "verstärkt auf die Leute zugehen" und Gynäkologen, Sozialabteilungen sowie Hebammen "noch intensiver darauf aufmerksam machen, dass es uns gibt". Gleichzeitig will er nicht nur die Beratungstätigkeit ausbauen, sondern auch das Marketingkonzept professioneller gestalten.

Doch bei allem Problemwälzen will er auch die freudigen Situationen geniessen, "die man nur mit Mehrlingen erlebt". Etwa wenn er beobachtet, wie seine drei sportlichen Sprösslinge reihenweise von Drei-Meter-Sprungbrett köpfeln.


> BERATUNG

Drei, vier, fünf

Die Schweizerische Vereinigung von Drillings-, Vierlings- und Fünflingseltern zählt rund 120 Mitglieder. Dabei handelt es sich fast ausschliesslich um Drillings-Eltern. Vier der 120 Vereinsmitglieder sind Vierlings-Eltern. Gemäss Präsident René van de Velde variiert die Zahl der jährlichen Drillingsgeburten in der Schweiz zwischen 29 (1992), 16 (1993) und 24 (1994). Auf eine von 11'000 Geburten entfallen Drillinge. Wesentlich seltener sind Vierlingsgeburten: Im Jahr 1992 wurde eine Vierlingsgeburt vermerkt, im Jahr 1993 drei und im Jahr 1994 keine, wie ein Vereins-Prospekt festhält. Dem Vereinspräsidenten ist eine Schweizer Fünflingsfamilie bekannt.

Kontakt: René van de Velde, Präsident Gigebuck 59 8213 Neunkirch Telefon: 052 / 681 44 07

28. Juli 1997

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