Der Preis-Schredder rumort an der Altholz-Front

Der Muster-Brennstoff wird zur zweifelhaften Verarbeitung massenhaft nach Italien exportiert - und fehlt den Schweizer Verwertern

Jahrelang propagierten Bund und Kantone Altholz als ökologisch und energetisch hochwertigen Brennstoff. Doch jetzt herrscht in den neuen Oefen Depression: Die Italiener kaufen den Schweizern das Material weg, millionenschweren Anlagen droht die Stilllegung.

Der neuste Jahresbericht des Aktionsprogrammes "Energie 2000" hatte zum Thema Altholz so gut wie nichts mehr zu berichten: Die Entwicklung im Bereich der Spezialfeuerungen sei "weitgehend ein Selbstläufer".

Diese Einschätzungen des Eidgenössischen Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartementes bezeichnen Unternehmer der Altholzbranche als "krasse Fehleinschätzung". Nach ihren Erfahrungen ist vielmehr Tatsache, dass die Ziele des Energieprogramms im Bereich Altholz "in einem bis zwei Jahren zunichte gemacht werden könnten".

Gegen 100 Millionen Franken hatten Unternehmen mit hohem Bedarf an Prozesswärme - vor allem Zementwerke und Papierfabriken - in den letzten zehn Jahren in die Altholzverbrennung investiert. Ideell, finanziell und publizistisch wurden sie dabei durch das Bundesamt für Energiewirtschaft unterstützt. Denn Altholz, so die offiziell verbriefte Aussage, könnte wesentlich dazu beitragen, die Ziele von "Energie 2000" - vor allem Stabilisierung und Reduktion fossiler Energieträger - zu erfüllen.

"Heute muss man sich fragen, ob sich die Altholz-Verbrennung zu einem Flop entwickelt", meint ein Branchenkenner. Noch vor wenigen Jahren, als die Verwerter ihre Schredder-, Aufbereitungs und Verbrennungsanlagen projektierten, rechneten sie pro angenommene Tonne Altholz mit Entsorgungsgebühren von 150 Franken. Mittlerweile brach der Preis zusammen auf 45 Franken.

Der Grund für das Debakel liegt nicht nur darin, dass die Bau-Flaute Holz-Mangel beschert und schlecht ausgelastete Kehrichtverbrennungsanlagen auch mal Altholz zum Nulltarif annehmen: 100'000 Tonnen Brennstoff - die Hälfte des in der Schweiz verfügbaren Materials - werden nach Italien gekarrt, wo nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und dem Krieg in Jugoslawien Heisshunger nach Holz herrscht. Transporteure nützen Leerfahren vom Norden nach Süden für die günstige Lieferung des begehrten Guts an die fünf riesigen italienischen Spanplattenfirmen aus.

Wie der Markt so spielt: Müssen in der Schweiz die Altholzlieferanten eine Entsorgungsgebühr zahlen, sind die Plattenproduzenten im Süden noch bereit, für den Rohstoff zu zahlen - auch wenn er Kadmium, Kupfer, Blei oder Zink enthält.

Vom Brennstoff-Mangel stark getroffen ist die Cementfabrik Holderbank HCB, die sich als Führer der Altholzverwertung positionierte und 30 Millionen Franken in diese Technologie investierte. Der Ofen im aargauischen Werk Rekingen verbrennt heute erst 35'000 Tonnen jährlich, von der geplanten Kapazität von 80'000 Tonnen ist nicht mehr die Rede.

"Wenn der Preis gegen den Nullpunkt sinkt, dann müssten wir die Anlage stilllegen", sagt HCB-Altholz-Einkäufer Godi Huwiler. Auch seine Konkurrenten - Perlen, Kronospan, Reni und Utzensdorf - "überlegen sich samt und sonders, die Altholzfeuerung aufzugeben".

Clemens Adam, Betriebsleiter des Reni-Ofens in Niedergösgen bestätigt den Preiszerfall: Bei der Planung des 12'000-Tonnen-Ofens vor fünf Jahren rechneten die Betreiber mit Einnahmen von 150 Franken pro Tonne. Heute liegt die Gebühr hundert Franken darunter. Adam: "Wir müssten auf Brennstoffe ausweichen, für die wir nicht eingerichtet sind."

Was sich abzeichnet, ist auch ökologischer Rückschritt: Entgegen den Energiezielen des Departements von Bundesrat Moritz Leuenberger ziehen die Ofenbetreiber in Betracht, die unerwartete Holzlücke wie weiland mit fossilen Brennstoffen wie Schweröl und Heizöl oder Pneugranulat und Tierfett zu stopfen.

Kommt dazu: Die Verarbeitung der mit Schwermetallen und Holzschutzmittel durchsetzten Schweizer Altholz-Tonnagen in italienischen Spanplattenfabriken und die Verbrennung ihrer Abfälle ist fragwürdig.

Als eine Schweizer Delegation der IG Altholz letzten September ein Werk des Plattenriesen SIA in Viadana besuchte, durften sie weder Proben ziehen noch erhielten sie auf nachgereichte schriftliche Fragen eine Antwort. Laut einem internen Analyse-Papier, das der SonntagsZeitung vorliegt, wird die anfallende kontaminierte Asche "als betonähnliche Masse für die Befestigung des Betriebsgeländes eingesetzt". Fachleute glauben auch, dass die Abluft der werkseigenen Verbrennung Schweizer Normen keinesfalls standhalte.

In den nächsten Wochen will die IG Altholz, in der die Ofenbetreiber den Ton angeben, das Bundesrätin Ruth Dreifuss unterstellte Buwal "auffordern, seine Kontrollpflicht wahrzunehmen" (Huwiler):

- Entgegen der geltenden OECD-Richtlinie, die mit Farben und Lacken behandeltes Export-Altholz einer Bewilligungspflicht unterstellt, komme das Buwal seiner Kontrollpflicht nicht nach und schaffe so eine Wettbewerbsverzerrung.

- Die Umweltbehörde dürfe sich nicht länger um die ökologischen Rahmenbedingungen der italienischen Spanplattenwerke und die Qualität ihrer Produkte foutieren. Vielmehr müsse sie analog zum Exportverbot für Sondermüll auch das italienische "Oeko-Dumping" mit Altholz unterbinden.

Der Clou: In Italien gefertigte Spanplatten gelangen wieder in die Schweiz, wo Schnittresten in ungeeigneten Schreinerei-Oefen verbrannt werden. Bei den Spanplatten in Viadana orteten die Schweizer Experten, so ihr Rapport, "teilweise von Auge kleinere Einschlüsse aus Kunststoffen und anderen Fremdteilen".

Laut Hans-Peter Fahrni, Chef der Buwal-Abteilung Abfall, der die Verhältnisse im südlichen Nachbarland nach eigenen Angaben nur "vom Hörensagen" kennt, unterliege Altholz "im Moment noch keiner Exportkontrolle". Auf die OECD-Richtlinie angesprochen, meinte er: "Auch dann müssten die Details einer Kontrolle erst in einer Verordnung geregelt werden." Sicher sei "der Altholzmarkt in den guten Zeiten gewaltig überschätzt worden".

Gegenüber der SonntagsZeitung kündigte Fahrni aber an, die "heute nicht ganz befriedigende Praxis" zu korrigieren. Noch dieses Jahr gehe eine neue Verordnung in die Vernehmlassung, welche die bisherige Regelung über den Verkehr mit Sonderabfällen ersetzt. Nach Aussage des Chefbeamten soll in diesem neuen Regelwerk auch das Altholz aufgeführt werden. Fahrni: "Es muss eine Exportkontrolle her."

Damit wäre die Schweiz endlich so weit wie das Bundesland Bayern: Schon im Frühling letzten Jahres forderte das Parlament die Landesregierung auf, einem Export von Altholz nach Italien nur dann zuzustimmen, wenn sichergestellt sei, dass die Verwendung der Spanplatten zu keinen gesundheitlichen Problemen führe.

14. Februar 1997

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