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Die Schweizer Altholzpolitik als Säule von Energie 2000 droht zu scheitern

Der Holz-Weg als Energiekonzept könnte sich als Holzweg erweisen

VON PETER KNECHTLI

Am Morgen des 24. August 1995, punkt 11.30 Uhr, öffneten sich im HCB-Holderbank-Zementwerk im aargauischen Rekingen die Tore des Altholz-Ofens. "Die ersten Abroll-Container kommen", notierte das Protokoll erwartungsfroh. Und Urs Böhlen, Vorsitzender der Geschäftsleitung, erlaubte sich einen liebenswürdigen Scherz: Die Einladung zur Eröffnung sei gemeint "zur gemeinsamen Begehung des Holzweges".

Letzte Woche wurde der Jux jählings zur Wirklichkeit: Mit dem Rekinger Zementwerk schliesst Holderbank Ende Jahr, kaum richtig eingefahren, auch den Altholz-Ofen. Der Abbruch der neuwertigen Anlage ("weltweit die erste ihrer Art") dürfte Holderbank nicht nur gegen 30 Millionen Franken kosten, sondern auch Vertrauen in die Energiepolitik des Bundes.

"Löst bitte unser Altholz-Problem"

Noch ist nicht vergessen, wie Zürcher Regierungsräte das Schmidheiny-Unternehmen beschwörten, doch bitte "unser Altholz-Problem zu lösen". Und in geradezu frischer Erinnerung sind die Beteuerungen der eidgenössischen Energiebehörden, die in wortreichen Erklärungen die Bedeutung der Altholzverwertung unterstrichen. Hans-Luzius Schmid, Leiter des Aktionsprogrammes "Energie 2000" und stellvertretender Direktor des Bundesamtes für Energiewirtschaft, ermunterte die Zementindustrie, bis zum Jahr 2000 drei Viertel ihres Brennstoffbedarfs durch alternative Brennstoffe wie Altholz zu ersetzen. Allein im Rekinger Ofen war geplant, jährlich 70'000 Tonnen energetisch zu nutzen und damit 40'000 Tonnen Kohle zu ersetzen.

Mit der Schliessung der Rekinger Pilotanlage, die derzeit 30'000 Tonnen Material verwertet, erleidet nicht nur "Energie 2000" einen erheblichen Dämpfer. Vielmehr befindet sich die Altholzpolitik des Bundes auf ihrem Niedergang. Denn die Schliessung von Rekingen ist nicht nur Folge wirtschaftlicher Probleme der Zementindustrie. Vielmehr ist auch der Altholzmarkt schwer gestört: Fachleute schätzen, dass weit mehr Schweizer Gebrauchtholz zur ökologisch fragwürdigen Verarbeitung in riesige italienische Spanplattenwerke gekarrt als in hiesigen Öfen energetisch sinnvoll verwertet wird.

Kunststoffe in Spanplatten sichtbar

Gegen die Tiefpreisangebote der Produzenten im Süden sind die Schweizer Entsorger nicht konkurrenzfähig. In den italienischen Fabriken herrscht seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion und dem Krieg in Jugoslawien Liefermangel und Heisshunger nach dem Rohstoff - auch wenn er Kadmium, Kupfer, Blei oder Zink enthält. In den Spanplatten im Werk Viadana orteten Schweizer Experten "teilweise von Auge kleinere Einschlüsse aus Kunststoffen und anderen Fremdteilen".

Der Clou: In Italien gepresste Platten gelangen wieder in die Schweiz, wo kontaminierte Schnittresten in ungeeigneten Schreinerei-Oefen legal verbrannt werden.

Streit um Holz-Herkunft

Dieser bizarre Kreislauf, der eine attraktive Altholzpolitik verunmöglicht und italienischem Oeko-Dumping Tür und Tor öffnet, wird durch den Wegfall des wichtigsten Schweizer Verwertungswerkes zusätzlich aufgewertet. "Die Schliessung der Rekinger Anlage hat keinen sehr grossen Einfluss auf den Schweizer Altholzmarkt", verniedlicht Hans-Luzius Schmid die Konsequenzen. "Das in Rekingen verwertete Holz wurde aus Deutschland importiert."

Diese Behauptung, korrigiert HCB-Altholzprofi Godi Huwiler, "ist nicht zutreffend". Mehr als 10'000 Tonnen pro Jahr akquirieren die Aargauer Brennstoffbeschaffer in der Schweiz. Zutreffend dagegen ist, dass die Ziele der schweizerischen Energiepolitik nicht erreicht werden können - was den "Energie-2000"-Chef nicht zu beunruhigen scheint. Hans-Luzius Schmid: "Ich kenne keine Zahlen."

Egal wohin - Hauptsache billig

Zahlen kennen aber die Altholz-Verwerter, die durchschnittlich weniger als 50 Franken pro Tonne aufbereiteten Brennstoff erhalten, aber mit 150 Franken gerechnet hatten. Und sie stellen fest, dass kein marktfähiger Preis zu machen ist, solange dieses hochwertige Material in Italien oder schlecht ausgelasteten Schweizer Kehrichtverbrennungsanlagen mit tieferem Wirkungsgrad oder gar ungenutzt auf irgendwelchen Deponien landet. Der Preisdruck in der Bauwirtschaft bestimmt, mit Duldung des Bundes, den Entsorgungsweg: Egal wohin - Hauptsache billig.

Fachleute sind überzeugt, dass in Rekingen freiwerdende Holzmengen auch Richtung Italien auf die Reise gehen werden. Darum verlangen sie vom Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (Buwal), sich nicht länger um die ökologischen Rahmenbedingungen der italienischen Spanplattenwerke und deren Produktequalität zu foutieren. Analog zum Exportverbot für Sondermüll - so ihre Forderung - müsse auch das italienische "Oeko-Dumping" mit Altholz unterbunden werden.

Buwal findet Zustand "auch nicht gut"

"Wir finden den gegenwärtigen Zustand auch nicht gut", räumt Mathias Tellenbach, Chef Buwal-Sektion Industrie- und Gewerbeabfälle, ein. Doch für eine Exportkontrolle, so der Einwand der staatlichen Umwelthüter, fehle bis heute die gesetzliche Grundlage. Darum will die Umweltbehörde die Verordnung über den Verkehr mit Sonderabfällen so revidieren, dass künftig neben Pneus und Computerschrott auch Altholz exportkontrollpflichtig wird. In einem "weiteren Schritt" kann sich Tellenbach sogar vorstellen, dass Altholz nur noch in der Schweiz verwertet werden darf.

Ob aber dereinst noch investitionswillige Verwerter gefunden werden können, hängt allein vom Preisniveau ab. "Grosses Interesse" hat der Buwal-Experte Tellenbach ausgerechnet an der zur Altholzverwertung bestens geeigneten Zementindustrie, die er trotz des Rekinger "Rückschlags" zum weiteren Einsatz von Altholz motivieren möchte. Ende nächsten Jahres soll die revidierte Verordnung in Kraft treten.

Technisch wären die Schweizer Zementwerke in der Lage, jährlich 200'000 Tonnen Altholz zu verwerten. Der Entscheid, ob Holderbank nach den bisherigen Erfahrungen aber künftig auf Altholz setzt, ist laut Godi Huwiler "noch nicht gefallen".

21. April 1997

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© by Peter Knechtli