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Zollfreistrasse: Chirurgie mit dem Metzgermesser

Grenz-Groteske um 730 Meter Strassenbau in Auenlandschaft bei Basel

VON PETER KNECHTLI

Damit zwei deutsche Städte eine bessere Autoverbindung erhalten, muss im Kanton Basel-Stadt der letzte Auenwald gefällt werden. Gegen die Zollfreistrasse regt sich jetzt erneut Widerstand.

"Wir müssen im Sommer oder Spätherbst mit der Rodung rechnen", glaubt Martin Vosseler als Sprecher der "Aerztinnen und Aerzte für soziale Verantwortung". Darum wollen die Strassengegner das bedrohte Gelände kommenden Samstag symbolisch "unter Naturschutz stellen". Später folgen eine "Probebesetzung mit Zeltlager" und ein Open-Air-Festival. Ist auch damit kein Kraut gegen den drohenden Beton gewachsen, ist laut Vosseler "absolut klar, dass es zu einer Besetzung kommt".

Was die Umweltschützer seit über einem Jahrzehnt mit Aktionen, Petitionen und Standesinitiativen bekämpfen, ist eine bizarre politische Altlast aus den Zeiten des ungebremsten Wachstums, die sich verselbständigt hat: Damit die deutschen Grenzstädte Lörrach und Weil ihre Umfahrungsstrasse bauen können, müssen sie auf einer Strecke von 730 Metern einen höchst sensiblen Landschaftszipfel der Schweizer Gemeinde Riehen zollfrei durchqueren.

Aus Kostengründen kein Tunnel

Das Gelände entlang des Flüsschens Wiese enthält wertvolle ornithologische und botanische Nischen: In Mitleidenschaft gezogen würden der letzte intakte Auenwald des Kantons, das Naherholungsgebiet der Langen Erlen und die Rebberg-Idylle "Schlipf" am Tüllinger Hügel. Eine Tunnellösung verwarfen die deutschen Behörden aus Kostengründen.

In Basel-Stadt ist die "Zollfreie" politisch nicht mehrheitsfähig. Zu den zahlreichen Strassengegnern zählen der bekannte Geschichtsprofessor Georg Kreis ebenso wie Riehens bürgerlicher Gemeindepräsident Gerhard Kaufmann. Der sonst zurückhaltende Politiker moniert seit langem das "Prestige-Denken kleinstatuierter Politiker" und "unheilige Parteiallianzen über die Landesgrenze hinweg". Wissenschafter wie der Biologieprofessor Heinz Durrer sprechen von einem "fatalen Eingriff in das Oekosystem".

Staatsvertrag aus dem Jahr 1852

Formell können die Basler nicht viel ausrichten, denn das Projekt ist Bundessache zwischen Bern und Bonn: Der landschaftschirurgische Eingriff mit dem Metzgermesser hat seine Wurzeln in einem Staatsvertrag aus dem Jahr 1852. In einem weiteren Abkommen aus dem Jahre 1977 räumt die Schweiz dem Nachbarland das Recht für Bau, Betrieb und Unterhalt der Zollfreistrasse ein - als Gegengeschenk für eine Schweizer Autobahnzollanlage auf deutschem Boden.

Dennoch setzen die Umweltschützer hüben und drüben ihre letzte Hoffnungen auf zwei neue Frauen an den politischen Schaltstellen in der Region: In Basel hat kürzlich die neugewählte Regierungsrätin und erklärte Projektgegnerin Barbara Schneider das Departement des bauwütigen Christoph Stutz übernommen. Mit ihr ist in den nächsten Wochen ein Gespräch angesetzt. In der deutschen Grenzstadt Lörrach ist mit Gudrun Heute-Bluhm eine neue Bürgermeisterin im Amt, die sich als frühere Umweltpolitikerin mindestens nicht aktiv für die fragwürdige Verkehrsachse einsetzen mag.

Basel-Stadt hat heute "andere Prioritäten"

Gegenüber OnlineReports beteuerte die Basler SP-Baudirektorin, es gebe zwar "politisch keine Möglichkeit mehr", das Projekt zu verhindern. Obschon in Weil vor sieben Jahren demonstrativ die Bagger vorfuhren, ist für Barbara Schneider heute weder aus Basel noch aus der deutschen Nachbarschaft Bau-Druck spürbar. Zudem, fügte sie an, habe sie "andere Prioritäten als den Bau der Zollfreistrasse".

17. März 1997 


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