Online Reports Logo
Werben Sie hier
um Ihre Online-Zielgruppe.
061 271 63 64
werbung@onlinereports.ch

Ich möchte diese Story bestellen und abdrucken

Ihre Meinung (auf "E-Mail" klicken)
E-Mail-Button

Zurück zur Hauptseite



Die Novartisierung der Schweiz macht Schule

Der Banken-Mammut UBS muss mit langwierigen Reibungsverlusten rechnen: Fusions-Folgen am Beispiel Novartis

VON PETER KNECHTLI

Blitzschnell haben sich Bankgesellschaft und Bankverein gefunden. Doch die Basis der Union Bank of Switzerland (UBS) wird zur Überwindung des Fusions-Schocks noch Jahre brauchen, wie sich am Beispiel Novartis zeigt.

Wenn der frischgekürte UBS-Konzernchef Marcel Ospel den Sinn der Banken-Fusion plakativ plausibel machen will, greift er in die Welt der Schosshündchen. Wie ein Magier schiebt seine gestreckten Hände übereinander und wedelt mit den gereckten Daumen: Erst schnuppern, dann schwänzeln.

Die Hündchen-Metapher ist originell. Doch Marcel Ospel weiss genau: Sofortige Entzückung wird höchstens bei den Investoren herrschen. Bis auch die höchst unterschiedlichen Firmen-Formationen in harmonischer Vereinigung schwänzchenwedeln, so glaubt ein erfahrener Schweizer Topmanager, "dürfte es mindestens ein Jahrzehnt dauern".

Zwei Kulturen prallen aufeinander

Komplikationen sieht ein mittlerer Kaderbanker nicht nur voraus, weil künftig die Basler Bankvereins-Bastion aus dem hassgeliebten Zürcher UBS-Hauptquartier kommandiert wird. An Spannungen glaubt er vor allem, weil in der neuen Mega-Bank zwei Kulturen wie Feuer und Wasser aufeinanderprallen: Hier der wohl kleinere, aber transparentere und fortschrittliche Bankverein, deren Kader auch mal im Fernsehen als Punks auftreten - dort die reiche, aber autoritär-konservative Bankgesellschaft, die über einen Wachmann stolpert.

Seit in der Schweizer Wirtschaft das grosse Rangieren begonnen hat, sammelt sich allmählich Trauma-Erfahrung an. Ein Lied davon kann die CS-Gruppe schon singen. Als die derzeit noch grösste Schweizer Bank neulich die "Winterthur"-Versicherungen übernahm, zeigten sich hohe Insider besorgt: Damit stehe eine neues Identitätsproblem, nachdem die vor vier Jahren integrierte Schweizerische Volksbank "noch keineswegs verdaut" sei.

Basler Einfluss schwindet

Das bisher anschaulichste Beispiel der Fusionsfolgen bietet Novartis. Der auf Jahresbeginn aktivierte Pharmagigant ist, anders als seine Eltern Ciba und Sandoz, keine Basler Firma mehr, sondern ein globales 90'000-Mitarbeiter-Projekt, das seinen Sitz bestenfalls aus historischen, sicher aber nicht aus sentimentalen Gründen am Rheinknie unterhält.

An der Novartis-Spitze schwindet auch der persönliche Einfluss jener Topmanager mehr und mehr, die - wie Präsident Alexander Krauer - am Juranordfuss ihre familiären und gesellschaftlichen Wurzeln haben. Mit dem in Freiburg aufgewachsenen und später in Bern als Mediziner praktizierenden Bündner Daniel Vasella steht ein Mann ohne soziale Bindung zum Standort an der Konzernspitze. Was heute im neuen Firmenkonglomerat wächst, ist laut einem Novartis-Mann der Versuch, "das Gute beider Firmen in den neuen Stil eines Weltunternehmens zu vereinigen".

Zwei Divisionsleiter mussten schon gehen

Gemessen an den fulminanten Börsengewinnen, Zwischenabschlüssen und Marketingerfolgen scheint die Rechnung aufzugehen, die Sandoz-Boss Marc Moret zum Fusionsplan führte. Mit seinem "auftrittsgeschulten Oberarzt-Lächeln" (so ein Gewerkschaftsfunktionär) treibt "der gute Kommunikator Vasella" (so ein Beobachter) die abgespeckte Belegschaft bedingungslos zu Leistungsoptimierung und Kostensenkung an. "Alle Jobs, die er bisher gemacht hat, hat er saugut gemacht", attestiert ihm ein Vertrauter.

Als "im positiven Sinn autoritätsbewusster Mann" lässt der Liebling der Finanzanalysten keinen Zweifel daran, dass er die operative Führung vollstreckt - vom strengen Kosten- und Termin-Controlling bis hin zu seinen berüchtigten handschriftlichen Anweisungen. Seelenwärmend lobt er die Rendite-Renner, schonungslos markiert er öffentlich die Ziel-Versager, entschlossen erneuert er auch die Konzernspitze. Schon im ersten Jahr mussten zwei Divisionsleiter den Hut nehmen. Pharma-Chef Pierre Douaze tritt vorzeitig in den Ruhestand, Ernährungschef David Pyott muss dem früheren Pepsi-Cola-Manager Thomas Ebeling Platz machen.

Firmenhymne blieb Managern im Hals stecken

Doch die eigenständigen Identitäten der Fusionsfirmen - hier die liberal-kooperative Ciba, dort die patriarchalisch-leistungsorientierte Sandoz - haben sich noch nicht ansatzweise zu einer neuen Novartis-Kultur verschweisst. Zeitweise schuf die Stimmungsregie unter dem Einfluss der US-Image-Agentur Ruder Finn groteske Eskapaden bis hin zur Zelebrierung religiöser Ergriffenheit: Als die aus aller Welt zusammengerufenen Kaderleute dieses Frühjahr auf den Bermudas eine in einem New Yorker Studio ausgeheckte Firmenhymne singen mussten, blieben einigen Managern die hosiannischen Worte im Hals stecken.

Nicht nur auf gutes Echo stiess auch der in der europäischen Arbeitswelt unübliche "Community-Day": Ein Tag pro Jahr mit Sozialeinsatz Gutes tun. Chef Vasella nahm sich einen Besuch in einem Behindertenzentrum vor, bevor er den Mitarbeitern via "Business Week" eröffnete, sie würden jetzt "so hart drangenommen, dass sie keine Zeit haben, sich in Kämpfen zu verlieren".

Langsam zeichnen sich Gewinner und Verlierer ab

Rangesrivalitäten, Existenzfurcht und Demotivation sind dennoch auf allen Ebenen angelegt - nicht nur als Folge neu aufkeimender Bürokratie. Im internen Kultur-Kampf zeichnen sich allmählich Gewinner und Verlierer ab. Deutlich wird das Konfliktpotential in der von Wolfgang Samo geführten Agro-Division. Der Ciba-dominierte Bereich des konventionellen Pflanzenschutzes steht in wachsender Konkurrenz zur gentechnisch ambitionierten Sandoz-Domäne Saatgut, die der als "kalt, aber äusserst fähig" geltende potentielle Samo-Nachfolger Heinz Imhof dirigiert.

Klimatischer "Hexenkessel" (ein Novartis-Offizieller) mit grösstem Sparpotential aber ist der Pharmasektor als grösste und wichtigste Novartis-Division. Hier, wo der strategische Überlebensschlüssel liegt, ist die lähmende Synthese von Leistungsdruck und Entlassungsangst am stärksten. Ein verdienter Ciba-Forscher, der einst motiviert bis spät Abends im Labor stand, "latscht heute nachmittags um fünf aus der Bude" (so ein Kadermann).

Ciba SC entwickelt neuen Hausgeist

Neidvoll blicken die Novartisierten in den Betrieb der im Zug der Fusion verselbständigten Ciba-Spezialitätenchemie: Präsident Rolf Meyer und Konzernleiter Hermann Vodicka ist es nach Einschätzung von Gewerkschaftern gelungen, "einen neuen Hausgeist zu entwickeln, der vom Manager ebenso getragen wird wie vom Arbeiter am Kessel". So vergnügten sich Ende August 4'000 Ciba-Angestellte und ihre Familien gemeinsam mit der gesamten Konzernleitung an einem Firmenfest im Riehener Wenkenpark, um erste Erfolge des Befreiungsschlags zu feiern.

Derartige Festlaune ist bei Novartis derzeit völlig undenkbar. Nicht nur schlagen Standortwechsel und neue Chefs aufs Gemüt. War die Sandoz-Belegschaft schon seit Jahren auf schwer nachvollziehbare Hauruck-Entscheide von höchster Stelle eingefuchst, hat heute die zahlenmässig stärkere Ciba-Fraktion von Novartis ein Vertrauensproblem: Alexander Krauer. Als prinzipientreuer Ciba-Chef hatte er der Belegschaft über Jahre hinweg die breit diversifizierte Divisionsstrategie eingehämmert und den Fusionszwang als Überlebensmittel bestritten - noch zwei Monate vor der Fusion, als er im Geheimen schon mit Fusions-Architekt Marc Moret über die Elefantenhochzeit verhandelte.

Auch Kritik an Leitfigur Krauer

Wohl billigen ihm Führungskräfte zu, sein Einverständnis zur Fusion auch "unter dem Druck der Zürcher Bahnhofstrasse und der Shareholder" gegeben zu haben. Im Direktorium aber sind Stimmen zu hören, die Krauers historischen Schwenker als "Verrat" empfinden. Heute räumt die Leitfigur ihre verhängnisvolle Fehlbeurteilung ein: Um im Wettbewerb bestehen zu können, müsse man "grösser sein als dies Ciba und Sandoz getrennt waren", zitiert die neuste Ausgabe der Firmenzeitschrift "Novartis live" ihren Präsidenten.

Dass sein Glaubwürdigkeitsbonus aufgezehrt ist, blieb auch Krauer nicht verschlossen. Mitarbeiter glauben sogar, er habe unter der Werte-Wende gesundheitlich gelitten und sei "während drei Monaten abgetaucht". Andere Quellen relativieren Krauers Leidensdruck, glauben aber auch, dass "nicht alle Spannungen spurlos an ihm vorbeigegangen sind".

Weniger soziale und ökologische Verantwortung

Krauers Einfluss beschränkt sich heute, als Folge der strikten Arbeitsteilung, auf die langfristige Entwicklung. Das Tagesgeschäft führt der starke Mann Daniel Vasella. Er sorgt dafür, dass sich im Hybridkonzern die Sandoz-Sitten durchsetzen. "Soziale und ökologische Verantwortung steht nicht mehr so auf unseren Fahnen wie früher", gab er dieses Frühjahr öffentlich zu Protokoll. Präsident Krauer, der diesen Kernsatz so nie ausgesprochen hätte, schwieg loyal.

Nur wer genau hinhört, bemerkt eine leise Distanzierung gegenüber dem Konzernchef - etwa wenn Krauer seine "Erfahrung" als Unterscheidungsmerkmal gegenüber Vasella ins Feld führt. Tatsächlich überfuhr der juvenile Firmenführer seine Karrieresprossen bis hinauf zum Sandoz-Pharma-Chef im Eilzugstempo. "Er hat noch nie dieselbe Aufgabe über Jahre hinweg durchgezogen und bisher nie eine Phase meistern müssen, in der es bergab ging", meint ein Branchenkenner, der in Vasellas Erfahrungsschatz "die grosse Niederlage" vermisst.

Gelegenheit, Sesselkleber zu ersetzen

Die grosse Bewährungsprobe steht Vasella erst noch bevor. Denn noch ist offen, welche Früchte die Mammut-Fusion tragen wird. Der Erfolg wird in entscheidendem Mass davon abhängen, welches Innovationspotential Novartis in der Produkteentwicklung entfalten kann. Die bisherigen Erfolgsergebnisse sind - von den Spareffekten abgesehen - nicht hausgemacht, sondern vererbte Verdienste der Fusionsfirmen Ciba und Sandoz.

Nachdem Krauer und Vasella im akuten Fusionsprozess "enorm schnell Lösungen" fanden, sind die Zürcher Analysten optimistisch. Ein gutes Betriebsklima sei keineswegs Voraussetzung für kommerziellen Erfolg, wie das Beispiel der innovativeren Sandoz zeige. Zudem biete die Fusion die Gelegenheit, "Sesselkleber zu ersetzen" und alte Strukturen zu straffen.

Selbst Krauer muss sich noch im Pensionsalter mit fremdbestimmten Verhältnissen zurechtfinden. Mit seinem etwa altersgleichen Ciba-Konzernchef Heini Lippuner verband ihn über lange Jahre hinweg Seelenverwandtschaft. Bei Vasella (44) hat es Krauer mit einem um über zwanzig Jahre jüngeren Akteur zu tun, der sich heute schon zielstrebig eine Hausmacht aufbaut. "Die Seilschaften bestehen meist aus Sandoz-Leuten", verlautet aus dem Kader. Schlüsselstelle ist der neue Human-Resources-Chef Alain Rohaut, der zusätzlich zum Konzernbereich auch für die Pharmadivision zuständig ist: Durch ihn übt Vasella die Kontrolle über Beförderungen und Besetzungen von Top-Positionen aus.

Vasella mit 55 Jahren frühpensioniert?

Etwa im Sommer 1999 wird der heute 66jährige Alexander Krauer als Präsident und Delegierter zurücktreten. Im amtierenden Verwaltungsrat sehen Auguren ausser Vasella keinen potentiellen Nachfolger. Doch dem Kronprinzen steht, was für einen externen Übergangspräsidenten spräche, seine Jugend im Weg: Mit erst 46 Jahren sässe er schon auf einem Sessel, der bislang Herren gesetzteren Alters vorbehalten blieb.

Sein Ziehvater Marc Moret gab das Sandoz-Präsidium mit 73 Jahren ab. Wenn auch Vasella epochenlang stilbildend werden möchte, hat er noch ein anderes Problem: Laut Fusionsvertrag müssen Verwaltungsräte nach zwölf Jahren ausscheiden. Ein Jahr ist schon vorbei und ohne Vertragsänderung müsste Vasella als Verwaltungsrat mit 55 frühpensioniert werden. Zu jenem Zeitpunkt könnte Marcel Ospel auf dem Höhepunkt seiner Karriere stehen - vorausgesetzt, seine Hündchen schwänzeln immer noch.

13. Dezember 1997

Zurück zu Wirtschaft
Zurück zur Hauptseite

© by Peter Knechtli