Basel will Kultur-Metropole Europas werden

Heute entscheiden die EU-Kulturminister über die Bewerbung

Heute Montag entscheiden die EU-Kulturminster, ob Basel im Jahr 2001 die Kulturhauptstadt Europas wird. Die Chancen der Bewerbung, durch Bundesrätin Ruth Dreifuss lebhaft unterstützt, sind "intakt".

Die äusseren Bedingungen Basels wären vorzüglich: Eine Stadt im Zentrum Europas, mit Grenzen an zwei EU-Staaten und ein schier unerschöpflicher Fundus an kulturellen Angeboten - von Museen über Theater und Orchestern bis hin zur alternativen Szene. Doch damit allein ist das Rennen nicht zu gewinnen: Auch Rotterdam, Lille, Bordeaux, Valencia, Genua und Riga kandidieren.

Als sich Basel - mit dem Partnerkanton Baselland im Rucksack - vor über zwei Jahren offiziell um die "Kulturhauptstadt" bewarb, stand schon fest, dass das Jahr 2001 nicht im Sauglattismus-Stil gefeiert werden soll, für den der Stadtkanton anfällig ist. Vielmehr geht es dem Projektleitungs-Mitglied Thomas Morscher um einen anspruchsvollen nachhaltigen Impuls. So wie Rousseau einst den "Contrat social" beschwor, will Basel als vorübergehende kontinentale Kulturstadt "den Contrat culturel in der Region und in Europa versuchen" (so die offizielle Darstellung). Der Kostenrahmen liegt um 30 Millionen Franken.

Dass Kultur ein wichtiges Mittel zu Erneuerung, Oeffnung und Partnerschaft ist, bestreitet in Basel niemand. Auch ist nicht zu verkennen, dass die offizielle Schweiz und insbesondere Bundesrätin Ruth Dreifuss die Basler Bewerbung herzhaft unterstützt. Fraglicher aber ist, weshalb ausgerechnet die Grenzstadt im Nicht-EU-Land Schweiz mit dem ebenso prestigeträchtigen wie tourismusfördernden Hauptstadt-Titel dekoriert werden soll.

Zwar weisen die staatlichen Kulturförderer darauf hin, dass Basel im Jahr 2001 auch die 500jährige Zugehörigkeit zur Eidgenossenschaft feiert und zusammen mit Baselland einen Beitrag an die Expo leisten wird. Kritische Stimmen weisen aber darauf hin, dass sich die Basler Kulturpolitik seit geraumer Zeit kaum in einer Blütezeit befindet, sondern über Gebühr durch bizarre Regierungs- und Verwaltungsentscheide geprägt ist.

So schloss die Regierung aus finanziellen Gründen gegen massiven Protest das kreativste Museum der Stadt, das Museum für Gestaltung, das seither - exiliert - jenseits der Landesgrenze in Weil am Rhein sein Dasein fristet. Der für Kultur zuständige Erziehungsdirektor Stefan Cornaz begründete den Schliessungsentscheid typischerweise damit, es habe sich um ein "Insider-Museum" mit nur geringen Publikumsverkehr gehandelt - statt der ungenügend beachteten Perle mit Förderungsideen zur verdienten Aufmerksamkeit zu verhelfen.

Nur mit Mühe kam diesen Sommer das aussergewöhnliche Filmfestival auf der Dachterrasse eines Siloturms im Rheinhafen zustande. Der Chef der für die Bewilligungen zuständigen Basler Gewerbepolizei überhäufte die Veranstalter nach Anwohnerprotesten mit bürokratischen Auflagen, bis erst im letzten Moment ein Kompromiss zustande kam.

Ungute Gefühle löste auch aus, als die Basler Polit-Prominenz in einem irrationalen Begeisterungssturm auf der modischen Musical-Welle ritt und das Parlament trotz Sparregime flugs zehn Millionen Franken zum Einrichtung eines Musical-Halle bewiligte. Das erstaufgeführte "Phantom of the Opera" musste seinen Spielplan allerdings vorzeitig abbrechen und Künstler entlassen, weil das Besucherpotential falsch eingeschätzt worden war.

Umso gespannter wartet Basel auf den heutigen Brüsseler Entscheid. Nachdem eine Basler Delegation vor zwei Wochen das Projekt in Luxemburg auf Funktionärsebene präsentiert hatte, erlebte Thomas Morscher eine "schöne Ueberraschung": die Gesandten der Ministerien hätten von der "überzeugendsten Präsentation" gesprochen.

Ob auch die Minister diese Einschätzung teilen, ist offen. Insbesondere ist unklar, wie weit die stockenden Verkehrsverhandlungen den Entscheid negativ beeinflussen. Anderseits, so glauben Insider, böte sich den EU-Ministern die Chance, die Schweiz mindestens auf kulturellem Gebiet in die europäische Pflicht zu nehmen.

24. November 1997

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(c) by Peter Knechtli