Nur jeder dritte Betrieb zahlte die Urheberrechtsgebühr

Säumige Gewerbetreibende: Schlecht informiert über die Zahlungspflicht beim Fotokopieren

Gewerbetreibende zeigen eine schlechte Zahlungsmoral, wenn es um die neuen Gebühren für Fotokopien geht: Nur gerade jeder Dritte zahlte den gesetzlich vorgeschriebenen Urheberrechtstarif. Fast die Hälfte aller Rechnungsempfänger muss durch die Verwertungsgesellschaft ProLitteris gemahnt werden.

35'000 Schweizer Gewerbebetriebe und Dienstleister erhalten dieses Wochenende dringliche Post von ProLitteris: Die erste Mahnung, rückwirkend auf den 1. Januar 1995 die jährliche Urheberrechtsgebühr in der durchschnittlichen Höhe zwischen 30 und 500 Franken innerhalb von zehn Tagen zu zahlen. "Wer auch dann nicht zahlt, erhält eingeschrieben eine zweite Mahnung. Bei Verstreichen von weiteren zehn Tagen erfolgt Betreibung", sagte Ernst Hefti, Direktor der für den Einzug zuständigen Urheberrechts-Genossenschaft ProLitteris, gegenüber der SonntagsZeitung.

Grund für die Rechnungen ist das neue Urheberrechtsgesetz, das Fotokopien analog der Praxis in zahlreichen europäischen Ländern einer Urheberrechtsgebühr unterstellt. Zur administrativen Vereinfachung werden aber bei Klein- und Mittelunternehmen nicht Einzelkopien, sondern Kopierautomaten pauschal belastet. Die Höhe der jährlichen Tarife ist, abgestuft in sechs verschiedene Kategorien, abhängig von Branche und Firemengrösse. Von Ausnahmen abgesehen sind Betriebe mit weniger als drei bis neun Angestellten sind dem Gesetz nicht unterstellt. Dies ist auch der Grund, weshlb 300'000 der 420'000 Schweizer Firmen gar keine Rechnung erhalten.

Umso ungehaltener reagierten die Gebührenpflichtigen: Als ProLitteris am 19. Januar die ersten 80'000 Rechnungen an kleinere und mittlere Unternehmen verschickte, kam es zu einem "ziemlichen Aufruhr" (so Daniel Lehmann, Vizedirektor des Schweizerischen Gewerbeverbandes), obschon der Zahlungsaufforderung eine ausführliche Information beilag.

Bis vergangenen Freitag gingen erst 25'000 Zahlungen ein. 35'000 Empfänger reagierten auf die Zahlungsaufforderungen gar nicht, 16'000 machten zusätzlich wegen falscher Annahmen eine Neueinteilung geltend, 4'000 verweigerten sich grundsätzlich. "Mit dieser emotionalen Heftigkeit der Reaktionen haben wir nicht gerechnet", sagt Ernst Hefti. Reihenweise vermuteten Beitragspflichtige im Absender eine obskure Firma, die mit Telexbucheinträgen ihre Geschäfte macht. Dabei ist ProLitteris vom Bund offiziell konzessioniert und vom Institut für geistiges Eigentum beaufsichtigt. Die Tarife für 1995 bis 2001 sind rechtsverbindlich von einer Schiedskommission wie auch vom Preisüberwacher sanktioniert worden.

In den Schubladen verschwanden viele Rechnungen auch, weil Betreiber von Kopierautomaten, Faxgeräten oder Laser-Druckern angaben, bloss die eigenen Drucksachen und keine geschützten Werke wie Zeitungen, Bücher oder Fotografien zu kopieren. Doch diese Annahme schützt nicht vor der Beitragspflicht, wie ProLitteris den säumigen Zahlern dieses Wochenende in Erinnerung ruft: "Die Zahlungspflicht besteht auch dann, wenn nur einmal pro Jahr, gelegentlich oder ausnahmsweise ein geschütztes Werk kopiert wird."

In die ProLitteris-Kasse flossen bisher statt der erwarteten zehn Millionen erst vier Millionen Franken zur Verteilung an die Urheber - Autoren, Verleger, bildende Künstler. Chef-Eintreiber Hefti verweist allerdings darauf, dass die Grossfirmen, Bibliotheken, Copy-Shops und Privatschulen erst im Mai angeschrieben und nach Anzahl Kopien belastet werden. Noch nicht bezahlt haben bisher auch die Kantonsverwaltungen und die Gemeinden.

Grund der miserablen Zahlungsmoral ist eine Mischung von schlechter Information und teils bewusst geschürter Aversion gegenüber neuen Gebühren. Bei den über einjährigen Verhandlungen mit ProLitteris war auch der Schweizerische Gewerbeverband dabei. Vizedirektor Daniel Lehmann beteuert, er habe "in dieser Zeit drei Kreisschreiben an unsere Mitgliedorganisationen herausgegeben", allerdings sei diese Information "aus reinem Goodwill" erfolgt. Der stellvertretende ProLitteris-Direktor Werner Stauffacher setzt einen andern Akzent: "Wir haben immer informiert, aber gleichzeitig mit unseren Verhandlungspartnern vereinbart, dass die Verbände ihre Mitglieder selbst informieren."

Doch die Feinverteilung der Information klappte offensichtlich schlecht, wie sich etwa im Baselbiet zeigt. Dort badet sich FdP-Nationalrat und kantonaler Gewerbedirektor Hans Rudolf Gysin im "Unmut" seiner schlecht informierten Mitglieder und benutzt die zweifelsfreie Einzugsberechtigung der ProLitteris als Anlass der Selbstinszenierung.

Statt seiner Basis mit ausführlicher Sachinformation zu dienen, präsentiert ihnen Privatisierungsfreund Gysin im Leitartikel des Verbandsorgans seinen "parlamentarischen Vorstoss", in dem er sich ausgerechnet darüber mockiert, dass eine private Organisation den Gebühreneinzug besorgt. Mit diesen Fragen, gaukelt er seinen Mitgliedern vor, werde der Urheberrechtsgesellschaft "auf die Tatzen geklopft". Die Fragen kommen reichlich spät: Tatzenklopfer Gysin sass längst im Nationalrat, als das Urheberrechtsgesetz behandelt wurde.

ProLitteris-Chef Hefti nimmt die Windmacherei entsprechend gelassen, da Gysin das Gesetz "falsch verstanden" habe: "Er meinte, der Gebühreneinzug sei eine Bundesaufgabe, die jetzt an eine private Gesellschaft delegiert wird. Dabei kann nur eine Verwertungsgesellschaft die Urheberrechtsgebühren einziehen."

Der Schweizer Gewerbeverbands-Vize Daniel Lehmann deutet an, dass sein Verband bei aller Kritik während der parlamentarischen Beratung jetzt hinter dem Vollzug steht: "Es geht nicht an, dass wir Gesetze machen und nachher nicht anwenden." ProLitteris sei mit "sehr viel Einfühlungsvermögen und Sachverstand vorgegangen". Wenn die Beitragspflicht gegeben sei, empfiehlt Spitzenfunktionär Lehmann, soll bezahlt werden "ohne gross auszurufen".

13. April 1996

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