Der Gebetsteppich für alle Fälle hängt bereits

100 Tage Hans Hagenbuch als neuer Chef der Messe Basel

Im Clinch zwischen Binnenkonkurrenz und ausländischem Preisdruck hat Hans Hagenbuch als Nachfolger von Philippe Lévy die operative Führung der Messe Basel übernommen. Schon traf ihn der Bannstrahl der Lokalpresse.

Nein, stromlinienförmig ist dieser Mann nicht. Konsequent locker liegt die Krawatte am zugeknöpften Hemd und er bekennt: "Ich habe manchmal laterale, quere Ideen." Selbst Kaffee trinkt er trickreich zuckerfrei: Der Würfel wird vor dem ersten Schluck in der Schaumkrone getränkt und sogleich zwischen die schmalen Lippen geschoben. "Ich bin ein relativ kreativer Typ", sagt Hans Hagenbuch (50), seit 1. Oktober neuer Direktionspräsident der Messe Basel, rational, fast hölzernen.

Gestalterische Fähigkeiten kann der ETH-Elektroingenieur in seinem Job brauchen. Denn der Findungsausschuss empfahl Hagenbuch nämlich nicht zur Wahl, weil er von ihm Hofieren bei Interessenlobbies und der Hautevolee erwartet, sondern "führungs- und kundenorientierte Strategien" (so Präsident Robert A. Jeker). Die sind nötig, wenn Basel nicht aus den top ten der europäischen Messeplätze verschwinden und in der provinziellen Bedeutungslosikeit versinken soll.

Konkurrenz droht von allen Seiten: In fast jedem der grossen Messestädte zwischen Leipzig und Paris werden Milliarden verbaut, Düsseldorf und Essen, Bologna und Ferrara suchen den Zusammenschluss. "Eine gewaltige Ueberkapazität an Ausstellungsflächen und damit ein harter Preiskampf ist voraussehbar", glaubt Hagenbuch.

Auch im Inland wird investiert, dass sich die Balken biegen: In Zürich über 100 Millionen, in Bern 60 Millionen und in Basel 300 Millionen. Die Folge ist ein zunehmend aggressiver Wettbewerb und die wachsende Bereitschaft schweizerischer Veranstalter, sich Messen und Aussteller auszuspannen. Eben versuchte Zürich, den Baslern attraktive nationale Fachmessen wie die "Holz" oder die Werkzeugmaschinen-Veranstaltung "Favem" wegzuschnappen. Das stiess Hagenbuch etwas sauer auf. Trotz seines libalen Credos ("Was der Markt sagt, ist mein Massstab") hält er es für "unvernünftig, wenn sich die Schweizer Messeplätze jetzt gegenseitig in die Beine sägen, denn langfristig sind die deutschen Messen unsere schärfsten Konkurrenten". Zürich, findet Hagenbuch, sollte die dominierende Stellung Basels als Tor der Schweiz anerkennen.

Gemeint ist ein internationaler Anspruch und ein Einzugsgebiet von 300 Kilometern Radius. Die Vision eines "Messeplatzes Schweiz", wie sie Bundesrat Adolf Ogi neulich in Erinnerung rief, sieht Hagenbuch jedoch weniger in engen strategischen Allianzen als vielmehr in einer bewussten Aufgabenteilung: "Ich könnte mir beispielsweise vorstellen, dass wir in Zürich Messen organisieren."

Um die Verstärkung der internationalen Präsenz zu betonen, möchte Hagenbuch seine derzeitigen Antrittbesuche in der elsässischen und vor allem in der badischen Nachbarschaft dazu nutzen, um die Ausweitung der Trägerschaft beliebt zu machen: Da das ausländische Umfeld aus dem Basler Messegeschäft schon heute 100 Millionen Franken an volkswirtschaftlichem Nutzen abschöpft, könnten sich - neben Basel-Stadt - auch das Elsass und Baden-Württemberg am Kapital der Genossenschaft Schweizer Mustermesse beteiligen. Zwei Sitze im Verwaltungsrat seien für die ausländischen Nachbarn bereits "geistig vakant".

Vorerst will Hagenbuch, Chef über eine 320köpfige Belegschaft und eine Bruttoausstellungsfläche von 140'000 Quadratmetern, sein Haus neu organisieren und mit dem Firmenspott ("In jedem Besenschrank ein Vizedirektor") aufräumen. Sein Rezept: Titel abschaffen, Unterschriften für alle, Hierarchien verflachen, stärkere Eigenverantwortung. Ausserdem will er sein Unternehmen mit 125 Millionen Franken Umsatz verstärkt als "ungeheuren Motor" der regionalen Volkswirtschaft im öffentlichen Bewusstsein verankern: "Ich will, dass wir künftig vor allem als Messeorganisationsfirma unternehmerisch in Erscheinung treten und weniger als Hallenvermieter."

Die heutige Messe Basel - so Hagenbuchs Erkenntnis - "trägt nicht die Handschrift eines modernen Unternehmens, sondern eher die eines Amtes". Weil die Messe-Manager beispielsweise nicht wissen, "ob der Standbau ein Geschäft ist oder nicht", will er das Rechnungswesen zu einem transparenten Management-Informationssystem umformen. Auch das komplexe Organigramm will er verschlanken und Bereiche wie Hallenvermietung und Betrieb, Messe- und Kongressorganisation oder Catering "in Richtung Profitcenters" mit klar zugewiesenen Verantwortlichenkeiten umbauen. Zwei Abteilungen hat er seit Stellenantritt bereits reorganisiert; eine davon ist die Unternehmensentwicklung, in der unter anderem auch neue Messen ausgebrütet werden.

Beim Führen soll dem ehemaligen IBM-Computerverkäufer und MIT-Absolventen nicht nur der theoretische Rucksack helfen. "Handfest", sagt Hagenbuch, sei er nach seiner Wahl zum Generaldirektor von Zellweger Uster vor zehn Jahren "auf den Baustellen gestanden". In Notlagen habe er selbst die Aermel hochgekrempelt, "und das kommt mir heute noch zugut". Als seine Spitzenstelle wegen einer Erbfolgereglung im Januar 1994 überflüssig wurde, wechselte er zu AT&T. Erfüllung im kompetenzfreien Schweizer Depot des US-Computermultis fand der Stratege nicht. Das Arbeitsverhältnis endete im gegenseitigen Einvernehmen.

Eigentlich wollte er seine eigene Beratungsfirma starten, hätte er es nicht schon auf die Messe Basel abgesehen, als Philippe Lévy vor zwei Jahren donnernd das Feld räumte und auch dessen Nachfolger Paul Wyss sein Interregnum beendete. Da nutzte Hagenbuch eine frühere Zürcher Bekanntschaft mit dem damaligen SKA-Chef Robert A. Jeker, der soeben neuer Basler Messepräsident geworden war - mit Erfolg: Aus den 40 Bewerbungen ragte nach Angaben Jekers jene Hagenbuchs heraus: "Es war keine schwierige Wahl. Hagenbuch bringt Erfahrung in harter Industriebewährung mit."

In den ersten hundert Tagen an der Spitze des grössten Schweizer Messeunternehmens hat Hagenbuch schon erste Spuren hinterlassen, organisatorische Altlasten saniert und zukunftsgerichtete konzeptionelle Arbeiten geleistet. Gleichzeitig wurden auch Defizite im Bereich der Kommunikation und Motivation deutlich. Mitarbeiter sind immer noch verunsichert darüber, wie gut er zuhört und ihre Argumente aufnimmt. Offensichtlich war sich Hagenbuch zu wenig bewusst, wie scharf ihm in diesem Job der Wind der Oeffentlichkeit um die Ohren pfeift.

Als er, kaum einen Monat an der Arbeit, den Widerstand gegen frühere Ausbaupläne der Messe in der elsässischen Nachbarschaft öffentlich als "kleinkariert" bezeichnete, hatte er mindestens teilweise recht, geschickt war die Aeusserung nicht: In den Medien führte sie zu geharnischten Reaktionen.

Obwohl gebürtiger Basler und seit über zwanzig Jahren in der Vorortsgemeinde Arlesheim wohnhaft, scheint der neue Messe-Boss mit dem lokalen Wurstkessel noch nicht allzu vertraut. Er ist nicht der schwülstige Uebervater wie Frédéric Walthard, nicht der distinguierte Diplomat wie Philippe Lévy und schon gar nicht der offiziersbegnadete Gesellschaftsbasler wie Paul Wyss. Der ausgemusterte Unteroffizier mit Sonderaufgaben für Informatik ist nach eigener Einschätzung der "Technokrat und Verkäufer". Auch ist er, im Gegensatz zur traditionell freisinnig durchdrungenen Messeführung, parteipolitisch unabhängig, was er für einen Vorteil hält: "Damit bin ich gut gefahren und das werde ich auch bleiben."

Sein fürstliches Jahresgehalt um 400'000 Franken und sein immenses Direktionspräsidentenbüro, das sich auch fürs Gruppenturnen eignete, stehen im eigenartigen Kontrast zu Hagenbachs Bekenntnis: "Ich halte nichts von Statussymbolen." Die Statussysmbole am Arbeitsplatz hat er von Vorgängern übernommen, das oliv-graue Chefpult aus italienischem Design ebenso wie Sitzgruppen und das Schlangenmosaik in seinem Rücken, das er "einfach super" findet: "Ich wüsste kein besseres Bild."

Vom Wohnort fährt der Rotarier "selbstverständlich" per Drämmli zur Arbeit nach Kleinbasel. "Ich finde Umwelt, Energie und Ressourcenverschwendung so wichtige Themen, dass man sie nicht liegen lassen darf." Hans Hagenbuch ist VCS-Mitglied Nr. 83. In den achtziger Jahren sass er gar "als Realo recht aktiv" im Zentralvorstand des alternativen Verkehrsclubs, was seinen damaligen Vorgesetzten zur Frage veranlasste, ob er seine berufliche Tätigkeit mit seinem privaten Engagement vereinbaren könne. Jawohl, entgegnete Hagenbuch: "Ich bin das wandelnde Beispiel dafür, dass nicht alle Grüne links sind." Steht er rechts? "Nein", pocht er auf seine Freiheit in Denken und Handeln, "ich bin unabhängig".

Das kann ihm zugute kommen, wenn den ehrgeizigen Bauplänen und den Auftragserwartungen die Stunde der Wahrheit schlägt. Nächsten März muss eine Umzonung die Volkshürde schaffen, später steht ein Staatsbeitrag von gegen 100 Millionen zur Debatte, damit 1999 der Messeplatz Basel mit neuem Wahrzeichen antreten kann: Einem Turm von 90 Metern Höhe und einer ultramodernen Halle.

Bis dieser Effort durchgestanden ist, muss Hans Hagenbuch vielleicht gelegentlich zum einzigen persönlichen Requisit in seinem Office greifen, das ihm IBM zum Abschied mitgegeben hat: dem Gebetsteppich.

22. Dezember 1995

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(c) by Peter Knechtli