Wenn die flinken Hände nur auch dirigieren könnten

Beispiel Baselland: Wie freisinnige Frauen gegen Schattenarbeit und Zermürbung in der Partei kämpfen

Die Wahlen im Kanton Solothurn zeigen: Der Brunner/Dreifuss-Effekt gibt engagierten Frauen Rückenwind wie kaum zuvor. Doch nicht allen Frauen wird der Sprung in die höhere Politik einfach gemacht, wie das Beispiel der Baselbieter Freisinnigen zeigt.

"Ueberhaupt keine Probleme" mit Männern und ihrer eigenen Karriere hat die Baselbieter FdP-Landrätin Susi Buholzer: "Mich haben die Männer mehr gefördert, als ich selbst wollte". Eine Fraktionskollegin glaubt gar auszumachen, "dass es uns FdP-Frauen hier besser geht als in andern Kantonen".

An der Basis tönt es weniger frohgemut. Stellvertretend für viele andere bezeichnete eine ehemalige FdP-Funktionärin die SP offen als die einzige Partei, die Frauen "einflussreiche Stellungen in der Oeffentlichkeit" ermögliche. Im Parteiorgan verlangte sie: "Die üblichen Lippenbekenntnisse genügen nun nicht mehr, lasst uns Klartext reden." Die Auflehnung der Freisinn-Frauen gegen die machtbesessene Männerbastion wird immer stärker, die anfänglich moderat komponierte Begehrlichkeit zum entschlossenen Anspruch.

Schon am Tage der Wahl von Ruth Dreifuss zur Bundesrätin demonstrierte die Baselbieter Parteipräsidentin Béatrice Geier ungeschminkt die Dicke des Geduldsfadens: Wenn es den Freisinnigen bis 1995 nicht gelinge, die Frauen mit Aufwärtstrend in öffentliche Aemter zu hieven, dann schliesse sie nicht aus, der Partei den Rücken zu kehren. Die Politikerin wusste, wovon sie sprach: Als Mitglied der Geschäftsleitung der FdP Schweiz ist Béatrice Geier zuständig für das Frauen-Ressort.

Das couragierte Wort, gesprochen am Schweizer Fernsehen, löste fast nur zustimmende Reaktionen aus - nicht nur jener Anwärterinnen, die als "brachliegender Schatz" (Geier) von der dienenden in eine bestimmende Rolle drängen. Auch der baselstädtische FdP-Präsident Adolf Bucher sah sich, mit dem verdrängten Sachverhalt konfrontiert, unvermittelt "wachgerüttelt". Ein erfahrener FdP- Landrat: "Geht es in unserer Partei um eine Kandidatur, dann muss eine Frau viel höhere qualitative Anforderungen erfüllen als ein Mann." Sofort versicherte auch die Präsidentin des "Freisinnigen Arbeitskreises Frau und Politik Baselland" ihre Kantonalchefin der "vollen Unterstützung für den Fall, dass es troubles geben sollte".

Auf "troubles", wie intriganter Krach auf freisinnig heisst, haben es Parteifreunde angelegt, die den selbstbewussten Frauen-Kurs als bedrohlich empfinden und Gegensteuer geben. Den Angehörigen der freisinnigen National- und Ständeratsfraktion verteilten Ratsweibel vergangene Session ein anonymens Schreiben, auf dem das Geier-TV-Statement wörtlich protokolliert war. Die einzigen Insignien, die in der andeutungsreichen FdP-Verhaltenssymbolik wie glühende Zeichen an der Wand zu deuten waren: Eine kurze Liste der Führungsfunktionen, die die ebenso engagierte wie unerschrockene Politikerin in der Partei ausübt. Doch angesichts der Konfusion um die Bundesratswahl und der bescheidenen Ergebnisse freisinniger Frauenförderung war das Papier, kaum verteilt, schon Makulatur: "Ich habe es" - so ein FdP-Bundesparlamentarier unberührt zur "Weltwoche" - "nach der Lektüre fortgeschmissen".

Auch im Baselbieter Freisinn blieb die Frauenpromotion, in salbungsvollen Wahlplattformen und 30-Prozent-Quoten wortreich versprochen, bisher weit unter ihrem Ziel. In der grössten bürgerlichen Partei wird von Frauen vor allem noch aufopfernde Schattenarbeit verlangt. In höheren öffentlichen Aemtern sind sie darum unverhältnismässig schlechter vertreten als in Sekretariaten oder Wahlkampftruppen und andern ehrenamtlichen Gremien. Dass der Baselbieter Landrat bei den Wahlen von 1991 zum frauenreichsten Kantonsparlament der Schweiz wurde - Frauenanteil der SP-Fraktion deutlich über fünfzig Prozent -, war kaum das Verdienst der Freisinnigen: In der 24köpfigen FdP-Fraktion sitzen nur gerade fünf Frauen. Wenigstens könnten mehrere weitere Bewerberinnen als Erste nachrücken - wenn ihnen die Männer nur rechtzeitig Platz machten. Eine Frau im Regierungsrat hat die stärkste Partei nicht vorzuweisen, nachdem die zur Verstimmung des dogmatischen Mannen-Blocks gelegentlich abweichende Hoffnungsträgerin Christine Baltzer eine Frauenkandidatur wegen fehlender interner Unterstützung ausgeschlagen hatte und jetzt, statt Politik zu betreiben, als Bezirksgerichtspräsidentin amtet.

Frauenpolitisch ähnlich düster, abgesehen vom feministischen Fragen gegenüber offenen Ständerat René Rhinow, ist die Lage auf nationaler Ebene. Auf ihrer Nationalrats-Siebnerliste präsentierten die Freisinnigen zwar drei ausgewiesene Kandidatinnen. Gewählt wurden mit Gewerbedirektor Hans Rudolf Gysin und dem Unternehmer Christian Miesch aber zwei Rechtskonservative des Männerflügels.

Zwar war es ein freisinniger Regierungsrat, der im Kanton Baselland gegen argwöhnische Sticheleien der Hierarchen den Aufbau eines staatlichen Büros für Gleichstellung sorgte. Aber sein Nachfolger und Parteikollege Hans Fünfschilling zeigt sich Frauen-Power gegenüber wie immun: Der bedächtige Kassenwart übt Bremswirkung nicht nur an der Ausgabenseite des Staatshaushalts, sondern ebenso am verwaltungsinternen Konzept zur Frauenförderung. Konsequenz: Wegen ungenügendem Sukkurs warf die Leiterin des Gleichstellungsbüros, eine frühere FdP-Parteisekretärin, nach drei Jahren das Handtuch. Seine Beratende Frauenkommission weist der Finanzdirektor in die Schranken, wenn sie ein harmloses Communiqué publizieren möchte. Andere Freisinnige forderten gar trutzig ein "Büro für Männerfragen" oder wenigstens eine geschlechtlich paritätische Leitung.

Auf parteiinternen Widerstand - auch von weiblicher Seite - stiess Anfang der achtziger Jahre sogar die Gründung des "Arbeitskreises Frau und Politik". An diesem Forum für Konzepte, Schulung und Vernetzung kommt heute eine aufstrebende FdP-Frau kaum noch vorbei. Einmal ins Kantonsparlament gewählt, profilieren sich freisinnige Politikerinnen meist zusätzlich: Sie bewegen sich ungezwungener als ihre männlichen Kollegen zwischen Parteiräson und Unabhängigkeit und ebnen so das Terrain zum überparteilichen Konsens.

Bisher brachte diese Leistung keine Freisinnige weiter. Doch die Gretchenfrage wird sich in den nächsten Wochen stellen. Nachdem schon vor vier Jahren eine Frauenkandidatur am männlichen Bewerber gescheitert war, muss für die Wahl des Landrats-Vizepräsidiums Mitte Juni erneut eine durchsetzungsfähige, tüchtige und kompetente Frau gegen einen Mann aus den eigenen Reihen antreten. Der 53jährigen Uebersetzerin Rita Kohlermann, Mutter von zwei erwachsenen Kindern, stellt sich der linientreue Kaufmann Robert Schneeberger entgegen.

In der Fraktion, wohl aber auch im Parlaments-Plenum, stehen diesmal die Chancen für eine erste FdP-Frau an der Spitze des Landrates gut. Selbst Konservative, die feministischen Quoten und Quellen nichts abgewinnen können, geben der Frauenkandidatur bereits auf Fraktionsebene gute Aussichten. Ihr kühles Kalkül: Die Freisinnigen können es nicht länger den Sozialdemokraten überlassen, die Frauen zu politisieren, sie in höchste Machtpositionen zu hieven und auf diese Weise Mitgliederzuwachs zu erzielen - während sich beim Freisinn engagierte Frauen zermürbt zurückziehen oder in die Partei gar nicht erst eintreten.

Als "Vision" mindestens spielt Béatrice Geier mit dem Gedanken an eine "liberale Frauenbewegung der Schweiz", die durchaus auch parallel zur Partei bestehen könnte: "Ich denke in dieser Grössenordnung, weil ich meine Kraft, mein Engagement und meine Energie für etwas einsetzen will, das nachher auch Früchte trägt."

Diese Erfahrung, die ihr in der eigenen Partei bisher versagt blieb, machte die zähe Kaderfrau letzten Herbst im Kreise der "Schweizer Frauen für den EWR", in dem Freisinnige mit Grünen, SP-Genossinnen mit Christdemokratinnen und SVP-Frauen vereint für eine gemeinsame Sache kämpften und dabei ausserhalb vertrauter - und verinnerlichter - Männerstrukturen eine sinnlichere Politikkultur erfuhren. "Mit dem Bus auf der Strasse, mit dem Mikrophon in der Hand, eine Art Hyde-Park-Corner, das verbindet, mobilisiert und motiviert", zehrt Béatrice Geier noch heute von jenem grenzensprengenden Erlebnis.

Auf die Frage der "Weltwoche", ob sie die Amtszeit als Kantonalpräsidentin bis 1996 durchhalte, mochte sie sich nicht festlegen: "Ich bin eine freie Frau."

29. März 1993

 

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